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Verzweifelte Jahre

Verzweifelte Jahre

Titel: Verzweifelte Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitta Sirny-Kampusch
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mich und schob mich aus der Sitzreihe in Richtung Tür. »Das hält ja keiner aus«, sagte ich. »Deswegen sind wir auch nicht da. Vergiss das Theater. Jeder Hinweis kann eine Spur zu Natascha sein. Je mehr Leute dich sehen, desto größer ist die Chance .« Sie nahm mich am Arm. »Du machst das schon .« »Wollen die Damen noch einen Prosecco zur Beruhigung ?« Der Redakteur hatte sich unbemerkt angeschlichen, wir hatten ihn gar nicht gehört. »Ja«, sagte Margot, »Beruhigung ist jetzt genau das Richtige .« Im Sondergastraum waren auch schon die anderen Gäste der Show versammelt. Ich stellte mich ins letzte Eck. Margot holte ein Glas Sekt für sich und Mineralwasser für mich. Ein Kellner machte die Runde mit einem Tablett voll lachsfarbener Kanapees. Margot griff zu. Ich hätte beim besten Willen nichts runtergebracht. Die Menschen standen in Grüppchen zusammen. Ab und zu schaute wer herüber, aber wir dürften nicht sehr einladend gewirkt haben. Ein Mann löste sich aus der Meute und steuerte trotzdem auf uns zu. »Entschuldigung, Sie sind doch Frau Sirny .« Er war fast schüchtern. »Ich komme vom ZDF, von der Sendung Aktenzeichen XY ungelöst .« Er hielt meine Hand länger fest als schicklich. Vermutlich hat er Erfahrung damit, wie man auf diese drei Worte reagiert. »Wir würden Ihnen gern helfen und Ihren Fall bei uns bringen. Können wir mit Ihnen rechnen ?« »Ich mache alles, was der Natascha nützt .« Er drückte mir seine Visitenkarte in die Hand. »Hier, falls Sie Fragen haben. Wir dürfen Sie dann kontaktieren .« Im Weggehen drehte er sich einmal um. »Alles Gute«, sagte er. »Der war okay«, sagte Margot mit viel Lachs im Mund. Zu mehr kam sie nicht, es war schon der Nächste auf dem Weg zu uns. »Bei Ihnen alles in Ordnung? Ich bin der Regisseur, wenn ich irgendwas für Sie tun kann, sagen Sie es ruhig .« Ich hätte das alles schon gern hinter mir gehabt. Aber dabei konnte mir auch ein Regisseur nicht helfen. Ich nahm einen Schluck Wasser. Die Tür ging auf und eine Frau erschien. Hinter ihr ein Tross junger Leute mit Notizblöcken, Unterlagen und einem Stoß kleiner weißer Karten. »Da stehen die Fragen drauf«, flüsterte Margot. Keine Ahnung, wieso sie sich da so auskannte. Die Frau durchquerte den Raum und kam als Erstes auf uns zu. Schon auf halbem Weg streckte sie den Arm aus. Sie schnappte sich meine Hand und schüttelte sie, während ein Schwall an Dankesworten aus ihrem Mund kam. »Sie sollten das Interview durchgehen«, raunte ihr eine Assistentin ins Ohr und steckte ihr die weißen Karten zu. Margot hatte recht gehabt, es standen überall Fragen drauf. Die Moderatorin hielt sich bei keiner lang auf, wir waren schnell durch. »Und Sie sind die Hellseherin«, sagte sie. Margot konnte nicht gleich antworten, sie kaute immer noch auf den Brötchen herum. »M-m«, sagte sie und schluckte den letzten Bissen hinunter, »ich arbeite mit Karten .« Die Moderatorin nahm es zur Kenntnis. »Sie werden auf jeden Fall versuchen, Natascha zu finden. Was glauben Sie denn, was Sie sehen werden ?« »Das kann man vorher nie wissen, vielleicht kommt auch gar nichts dabei heraus .« Diese Möglichkeit schien die Moderatorin nicht in Betracht zu ziehen. »Zehn Minuten noch bis zur Aufzeichnung«, rief ein Techniker. Damit war die Vorbesprechung zu Ende. Die Gäste, die am Anfang der Show an der Reihe waren, wurden hinausgebeten. Margot und ich steuerten auf eine Sitzgruppe zu, wir kommen erst als Letzte dran, sagten sie, die beste Geschichte spielen sie immer am Schluss. Nach und nach leerte sich der Sondergastraum. Ich war froh über die Pause. Ich war Menschen nicht gewöhnt. Es war noch nicht lange her, dass ich mich aus meinem Schneckenhaus gewagt hatte, um mich in Richtung Natascha zu bewegen. Die Reise strengte mich an, noch war ich mehr Narr als Magier. Und beides hatte ich hinter der Fassade der Brigitta Sirny zu verbergen. Die Leute müssen nicht alles sehen, was in dir vorgeht, hatte meine Mutter mir immer eingetrichtert. So was legt man nicht so leicht ab. »Bist auch nervös ?« , fragte Margot. Ich zuckte die Schultern. »Da sitzen ein Haufen Leute im Publikum und daheim noch hundert Mal so viel«, rechnete sie. »Also ich bin nervös .« Wenn ich irgendwas war, dann hoffnungsvoll. Meine Gefühle beschränkten sich mittlerweile auf das Nötigste. »Es ist so weit«, sagte der Redakteur, der wieder aus dem Nichts aufgetaucht war. »Nach der Popgruppe haben Sie Ihren Auftritt. Ich bringe

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