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Verzweifelte Jahre

Verzweifelte Jahre

Titel: Verzweifelte Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitta Sirny-Kampusch
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göttlichen Fingerabdrücke mit freiem Auge. Und er gab sich nicht mit einem Stück Burgenland zufrieden.
    »Neger ?« , fragte der Koch, als ich ihm von unserer Reise erzählte. »Der Neger? Der Wirt? Von dem Gasthaus, keine paar Schritte von der Grenze?«
    »Ja. Du kennst den ?« , fragte ich. »Ja. Ich kenn den. Und die Frau, die euch im Hof nachgeschimpft hat, kenn ich auch. Das ist die Mutter von der Brigitte .«
    »Welcher Brigitte?« »Na, von meiner Brigitte, der Horvath.« Die Frau, mit der er derzeit liiert war. Die Dinge wurden immer diffuser.

7

    Es klang wie ein Schuss. Gleich darauf schlingerte der Wagen, es rumpelte, ich bremste mich am rechten Fahrbahnrand ein. »Kruzifix!« Ich stieg aus. Ein Reifen war geplatzt. Dass immer alles auf einmal passieren muss, dachte ich. Der Wünschelrutengänger hätte an Anstrengung gereicht für einen Tag. So weit aus Wien raus fahren, dann sehen wir einen weißen Bus, und das ist ein normaler Schulbus, der sonst in einer anderen Ortschaft steht. Nur verwirrend, das Ganze. Dabei hatte ich mir so viel versprochen davon. Einen Wünschelrutenexperten hatte ich noch nie. Ich bin ein Radiästhet, hat er mir am Telefon gesagt. Ich frage ja jetzt jeden, was auf mich zukommt, nicht, dass der mich an den x-ten Teich führt, um im Schlamm zu graben. Radiästhet. Muss ein gebildeter Mensch sein, hab ich mir gedacht. Eine Stunde hab ich mit ihm telefoniert, die ganze Geschichte der Radiästhesie hat er mir erzählt. Dass die Ruten immer aus Weiden- oder Haselnussholz sind, meist in Form einer Zwille. Dass das schon auf Moses zurückgeht, der mit dem Stock auf einen Stein geschlagen hat und dann ist er eine Schlange geworden. Dass man die längste Zeit damit nur nach Gold oder Kohle gesucht hat und erst im 16. Jahrhundert damit begonnen hat, verborgene Dinge aufzuspüren. Und dass ein gewisser Jacques Aymar durch die Bewegungen seiner Rute im 17. Jahrhundert zum ersten Mal Verbrecher verfolgt hat. Na dann. Das Zauberholz ist ein ungedämpfter Resonanzkörper, hat er mir erklärt, dessen Eigenfrequenz der Frequenz der Erdstrahlung entspricht. Bei einem Fund soll die Rute über der sogenannten Reizzone mit unterschiedlicher Intensität ausschlagen. Na gut, hab ich gesagt, probieren wir’s. Und jetzt stand ich da, an einem Bankett irgendwo in Niederösterreich, mit einem Patschen und schaute ihm zu, wie er mir die Reifen wechselte. Mit der Wünschelrute war er geschickter. Es dauerte eine Zeit, bis das Auto wieder flott war. Ich brachte den Hellsichtigen nach Hause, er winkte mir mit der Wünschelrute nach. Dass ich das fast schon normal fand, erschreckte mich einen Augenblick. Ich winkte zurück und machte mich auf den Heimweg. Hoffentlich platzte Passau nicht auch, dachte ich im Auto. Noch so eine Seifenblase und man konnte mich einliefern. Aber der Brief von der Frau aus Slowenien klang vielversprechend. Die Natascha sei von einem Dunkelhaarigen verschleppt worden, das hat vorher noch niemand gesehen. Und die Zeichnung, die sie mir von dem Mann mitgeschickt hatte, da konnte sich das Phantombild aus Aktenzeichen XY ungelöst verstecken. Das war der konkreteste Hinweis seit Monaten. Die Donau aufwärts war er, behauptete sie, nach Passau. Das Telefon läutete. Ich reagierte zuerst nicht darauf, das Handy war neu und hatte eine andere Melodie. Ich brauchte eine Weile, bis ich es aus der Tasche gekramt hatte. Auf dem Display stand: Friseur. »Hallo, stör ich? Nur ganz kurz: Ich hab zwölf Leute beisammen, von Meidling und von überall, die fahren alle mit nach Passau. Na? Jetzt sagst nix mehr. Abfahrt morgen um acht, hier vom Geschäft weg.« Stimmt. Ich sagte nichts mehr. Zwölf Menschen, wildfremde, und Passau ist ja nicht ums Eck. Unvermittelt liefen mir die Tränen über die Wangen. Da wird jetzt die Hälfte nicht aufgetaucht sein, dachte ich mitten im Wiener Berufsverkehr auf dem Weg zum Friseurladen. Ich war zeitig genug losgefahren. Siebter Bezirk, da staute es immer am meisten in der Früh. Die Warterei brachte mich ins Grübeln. Die letzten Aktionen waren alle in die Irre gegangen, ich taumelte von einer Niederlage zur nächsten. Und auch mit der Friseurin hatte ich schon einmal Pech gehabt. Ein Kunde hatte ihr den Floh mit der Kreuzerlwiese ins Ohr gesetzt, dort sei die Natascha verscharrt. Wieder so ein Tümpeltipp. Wieder nichts. Sieg, hatte Tina damals gesagt, die Sieben steht für Sieg, du bist ein Siebener-Mensch, musst nur ein bisschen Geduld haben. Geduld. Mein

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