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Verzwickt chaotisch

Verzwickt chaotisch

Titel: Verzwickt chaotisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Papa hatte ich schon Tschüs gesagt, bevor er in den Keller gegangen war.
    »Enttäusche uns nicht, Luzie«, hatte er viel zu ernst gemurmelt, als er mich an sich gedrückt und mir einen Kuss auf die Stirn verpasst hatte. »Und komm heil zurück.« Mir war schon klar, wie die korrekte Übersetzung lautete: »Enttäusche deine Mama nicht. Mach kein Parkour. Und auch keine anderen Dummheiten. Lande bitte nicht wieder in der Notaufnahme. Verursache Herrn Rübsam keine weiteren grauen Haare (falls das überhaupt noch möglich ist). Und lass dir von den Jungs nicht den Kopf verdrehen.«
    Ohne den Koffer freizugeben, lehnte ich mich zum Hund rüber und strich ihm über den wuscheligen Kopf. Ich spürte deutlich seine spitzen Schädelknochen unter meiner Hand. Er fühlte sich wahrhaftig nicht wie ein junger Hund an. Sondern wie ein alter Hund. Wahrscheinlich hatte ihn deshalb niemand haben wollen im Tierheim. Trotzdem war die Vorstellung nicht schön, einen alten Hund zurückzulassen.
    Mama ging in die Hocke, um mir in die Augen sehen zu können. Ihre Knie knackten vernehmlich.
    »Luzie, meine Kleine. Hast du auch – ähm – ein paar – Hmhm eingepackt? Falls du deine – Duweißtschonwas – äh …?«
    »Brauche ich nicht«, fiel ich ihr ins Wort. Leander beugte sich neugierig vor und ich war versucht, Mama ans Schienbein zu treten. Da wollte sie am liebsten täglich Frauengespräche mit mir führen und konnte nicht einmal die einfachsten Dinge beim Namen nennen. Dennoch war mir ihr Gestotter ganz recht. Vor Leander musste ich dieses Thema nun nicht ausbreiten. Er sollte ruhig weiterhin rätseln, was Mama mit Duweißtschonwas meinte. Momentan war er der Auffassung, es habe etwas mit Harry Potter zu tun. (Keine Ahnung, wie er darauf kam, aber je weiter er sich vom eigentlichen Thema fortbewegte, desto lieber war es mir.) Jedenfalls hatte ich Duweißtschonwas erst letzte Woche gehabt. Ich brauchte nichts mitzunehmen. Immerhin etwas Gutes an dieser Klassenfahrt.
    »Prima. Fein«, sagte Mama tapfer. »Und wo ist Annis Gitarre?«
    Ich deutete auf den Koffer. »Schon eingepackt.«
    Mama riss mich am Ellenbogen nach oben. »Und du sitzt drauf? Um Himmels willen, Liebes, die geht doch kaputt!«
    »Tut sie nicht. Ich bin ein Fliegengewicht.«
    »Ja, das bist du allerdings«, entgegnete Mama neiderfüllt, wuchtete den Koffer hoch und stapfte mir voraus durch den Flur. Ich drehte mich zu Leander um. Er lag bäuchlings auf dem Boden und ließ sich von Mogwai die Hände abschlecken. Ich roch den fischigen Hundeatem bis hierher. Vielleicht sollte ich Mogwai mal einen von Leanders Pfefferminzdrops unters Futter mischen.
    »In zehn Minuten vor der Schule. Schaffst du das?«, fragte ich ihn flüsternd. Wir hatten abgemacht, dass er zur Bushaltestelle flog. Ich hatte ihn zu überreden versucht, gleich zur Jugendherberge zu fliegen, doch er hatte nicht mit sich reden lassen. Er wollte von Anfang an mit dabei sein.
    »Klar schaffe ich das. Null Problemo.« Leander küsste Mogwai auf seine feuchte Schnauze.
    »Das sagt niemand mehr, Leander. Null Problemo. Das ist total uncool.«
    »Mir doch egal. Bis nachher. Halt mir schon mal einen Platz frei.«
    Aber genau das stellte sich schwieriger dar als erwartet. Denn natürlich wollte Sofie neben mir sitzen. Möglichst weit hinten bei den Jungs. Leander jedoch wollte möglichst weit vorne sitzen, da sich laut Wächterschulung dort die sichersten Plätze befanden und man einen guten Blick auf den Busfahrer hatte (wozu auch immer das gut sein sollte). Gepäcknetze wie in der S-Bahn gab es hier nicht. Und selbst wenn – zehn Minuten konnte Leander das durchhalten. Eine Stunde lang sicherlich nicht. Er musste einen Sitzplatz bekommen. Und zwar neben mir.
    Seppo und Kelly hatten sich schon ihr Eckchen im Bus gesucht. Auch ganz vorne. Direkt hinter den Lehrern. Ich linste zu Mama und Herrn Rübsam hinüber. Mama redete gestikulierend auf ihn ein und er hörte gar nicht mehr damit auf, eifrig zu nicken und kleine Verbeugungen zu machen.
    »Los, Luzie. Wir müssen uns einen Platz suchen, sonst sind die besten weg!«, drängte Sofie.
    »Ich – ich würde gerne allein sitzen. Vorne.«
    »Ja, klar. Guter Witz, Luzie. Schau mal, da hinten am Fenster sind noch zwei frei …«
    »Nein. Kein Witz. Ich geh nach vorne.« Ich löste vorsichtig Sofies Hand von meinem Pulliärmel, nickte Leander verstohlen zu und marschierte dem Fahrereinstieg entgegen.
    »Warte, Luzie …« Sofie holte mich mit klappernden

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