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Verzwickt chaotisch

Verzwickt chaotisch

Titel: Verzwickt chaotisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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die Gitarre aufs Bett. Leander streckte seine Hand aus, nahm sie sicher entgegen, richtete sich auf und berührte liebevoll ihre Saiten.
    »Scht!«, unterbrach ich ihn. »Kannst du mir verraten, wie wir das machen sollen? Was ist, wenn sie wieder reinkommt?« Ich deutete zur Tür. Heute war mit allem zu rechnen. Es gab Tage, an denen war Mama unsere Abmachung, erst anzuklopfen und zu warten, ob sie eintreten durfte, vollkommen egal. Und da ich schon öfter kleine Zimmerbrände gehabt hatte, bekam ich auch keinen Schlüssel zum Abschließen. Ich war ihr ausgeliefert. »Was soll sie denken, wenn die Gitarre in der Luft schwebt und alleine spielt? Hm?« Kleidungsstücke und Gegenstände wurden erst dann durchsichtig, wenn Leander sie ein paar Stunden lang dicht bei sich getragen hatte. Und ich bezweifelte, dass das bei einem so großen Gegenstand wie einer Gitarre überhaupt funktionieren würde.
    Anstatt zu antworten, lehnte Leander sich locker im Schneidersitz an das Kopfende des Bettes und nahm die Gitarre neben sich. Auffordernd klopfte er auf die Matratze. Ich verstand nicht, was er meinte.
    »Was – was willst du?«, fragte ich verwirrt.
    »Setz dich zu mir. Na, komm schon. Und wenn deine Ma reinplatzt, legst du schnell die Finger auf die Saiten und sie wird keinen Verdacht schöpfen.« Noch einmal klopfte er auf das Bett, weil ich wie versteinert am Schrank klebte. »Tout de suite!«
    »Niemals.«
    »Gut. Dann spiele ich eben allein. Mir ist das egal. Du musst es ihr erklären können. Nicht ich. Und glaub mir, deine Mama bewegt sich schon am Rande des Wahnsinns. Sie braucht nur ein paar angebliche Halluzinationen und sie ist bedient …«
    Leander schloss seine Finger um die Saiten und ließ den ersten Akkord erklingen. Dann den zweiten … den dritten … sie waren noch unsicher, aber zu laut – viel zu laut!
    Knurrend krabbelte ich aufs Bett und schob mich mit dem Rücken zu ihm zwischen seine Beine. Leander legte die Arme um mich und nahm die Gitarre vor meinen Bauch. Ich musste mich an ihn sacken lassen, ganz nah, damit er weiterspielen konnte. Seine Fieberwärme ging augenblicklich auf mich über und ich wurde ein wenig träge und schläfrig, obwohl meine Gedanken sich gegenseitig zu jagen schienen. Was machte ich hier eigentlich? So eng hatte ich noch nie bei einem Jungen gesessen. Er kesselte mich ein zwischen sich und der Gitarre. Ich konnte mich kaum mehr rühren.
    »Was spielst du da?«, fragte ich, um mich abzulenken. Leander lernte unglaublich schnell. Das war eine seiner Eigenheiten, die mich ständig sprachlos machte – wie rasch er sich neue Fertigkeiten aneignen konnte. Vor allem wenn sie mit Musik zu tun hatten. Er hatte zum Beispiel während eines einzigen Gottesdienstes singen gelernt und im Breakdance stellte er inzwischen sogar Serdan in den Schatten.
    »Streets of London«, murmelte er abwesend und versuchte sich am nächsten Akkord.
    »Von was handelt es?«
    »Armen Menschen«, antwortete Leander bedauernd. »Menschen ohne Zuhause.« Sein warmer Atem streifte meinen Hals, als er sich vorbeugte, um die Textzeilen zu entziffern. »Moment, ich lerne es schnell auswendig. Ist eigentlich auf Englisch. Aber ihr singt es bestimmt wie hier in dem Buch auf Deutsch.« Ich musste meinen Kopf an seinen Hals legen, damit ich nicht zur Seite rutschte. Leander starrte eine Weile konzentriert auf die Liedzeilen. »Okay, abgespeichert. Sollen wir?«
    »Ich singe bestimmt nicht.« Meine Stimme zitterte sowieso schon. Warum auch immer. Ja, sogar meine Hände zitterten. Ich wollte hier raus. Und ich wollte es doch nicht.
    »Das hoffe ich, Luzie. Wir wollen ja nicht die Toten aufwecken«, erwiderte Leander spöttisch. »Du musst nur so tun, als ob. Für deine Ma. Falls sie reinkommt. Du musst es fühlen. Die Musik, meine ich.«
    »Was denn sonst?«, fragte ich barsch. Ja, was denn sonst? Seinen warmen Bauch? Seine Haare, die mich an der Wange kitzelten? Seine Arme an meinen Schultern? Doch Leander war schon wieder bei der Musik. Wenn er sich etwas beibringen wollte, gab es nichts anderes mehr für ihn. Streber, dachte ich gehässig. Dann begann er zu singen und sich selbst dabei auf der Gitarre zu begleiten.
    »Siehst du dort den alten Mann? mit ausgetretnen Schuhn? schlurft er übers Pflaster, und er sieht so müde aus … Hin und wieder hält er an, nicht nur um sich auszuruhn – denn er hat kein Ziel und auch kein Zuhaus …«
    »Langsamer. Bau ein paar Fehler ein. Ich würde das niemals so gut

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