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Verzwickt chaotisch

Verzwickt chaotisch

Titel: Verzwickt chaotisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Absätzen ein. »Dann geh ich eben mit dir nach vorne. Kein Problem.«
    Seufzend blieb ich stehen. »Nein. Ich will alleine sitzen. Bitte, Sofie, mir – mir wird schnell schlecht, und wenn dann jemand neben mir sitzt – das – das kann böse ausgehen. Wenn du verstehst, was ich meine.« Ich deutete auf ihr schneeweißes T-Shirt. »Ist besser so, glaub mir.«
    Sofie verzog angewidert den Mund. »Oh. Na gut. Dir wird schlecht? Du stürzt dich freiwillig von Hochhausdächern und im Bus wird dir schlecht?« Sie lächelte mich voller Mitleid, aber auch ein wenig belustigt an. »Arme Luzie. Dann bis später.«
    »Wehe, du kotzt mich voll«, warnte Leander mich unauffällig, nachdem er neben dem Fenster und ich am Gang Platz genommen hatte.
    »Das war eine Ausrede, du Idiot!«, zischte ich zurück, ohne meine Lippen zu bewegen. Sollte mir bis zum Schulabschluss kein Beruf einfallen, den ich machen wollte, würde ich meine Brötchen wahrscheinlich als Bauchrednerin verdienen können.
    Nein, mir würde kaum übel werden. Ich machte mir eher Sorgen um Leander. Seitdem er einen Körper hatte, war er noch nie Auto oder Bus gefahren. Und möglicherweise – nein, ziemlich sicher – fühlte es sich mit Körper anders für ihn an als körperlos.
    Und es kam, wie ich befürchtet hatte. Schon nach den ersten zehn Minuten, in denen er sehr still und beinahe leblos in der Ecke gesessen hatte, die Wange an das kalte Fenster gepresst und seine zweifarbigen Augen unablässig auf den Hinterkopf des Busfahrers geheftet –, grapschte er nach meiner Hand und quetschte sie so fest, dass ich aufkeuchte. Seine Nase sah aus wie ein Eiszapfen. Wäre er ein Mensch gewesen, hätte sie sich grün gefärbt. So aber war sie hellblau.
    »Anhalten!«, schrie ich. »Schnell! Anhalten! Bitte! Ich muss raus, sofort!!«
    Der Busfahrer bremste mit quietschenden Reifen auf dem Seitenstreifen und augenblicklich brach Chaos aus. Alle redeten durcheinander, irgendwo rief Sofie nach mir. Ein paar Jungs lachten höhnisch.
    »Soll ich mitkommen, Luzie?«, fragten Seppo und Herr Rübsam gleichzeitig, doch ich stieß sie weg und flüchtete mit Leander an der Hand nach draußen, hechtete in einem einzigen Satz über die Leitplanke und rannte weiter, bis wir uns hinter ein paar Büschen verstecken konnten.
    Doch anstatt sich zu übergeben, hockte Leander sich in aller Ruhe auf den Boden und lehnte sich an einen Baumstamm. Jetzt sah seine Nase auch nicht mehr wie ein Eiszapfen aus.
    »Was soll das, Leander?«
    »Eine halbe Stunde«, sagte er mit einem zufriedenen Blick auf die altmodische Taschenuhr, die er sich vor Kurzem »geliehen« hatte (wo, wusste ich nicht) und immer in seiner Westentasche trug. »Das müsste reichen. Dann ist er wieder bei null.«
    »Was?« Ich verstand gar nichts. »Bei null?«
    »Sein Alkohoooolpegel«, klärte Leander mich mit erhobenen Brauen auf. »Der Busfahrer hat gestern ein bisschen zu tief ins Glas geschaut. Gefährlich. Sehr, sehr gefährlich. Wir können nicht weiterfahren. Wir warten. Tu so, als wäre dir schlecht. D’accord?«
    »Das geht nicht! Wir können hier nicht eine halbe Stunde in der Pampa sitzen! Wie stellst du dir das vor? Wenn ich nicht gleich zurückkomme, gehen die mich suchen! Und wollen sich um mich kümmern und …« Ich schloss kurz die Augen. Wir waren nicht einmal in der Jugendherberge und ich hatte bereits mächtigen Ärger am Hals. »Ist es wirklich so schlimm?«
    »Ist es.« Leander nickte bekräftigend. »Seine Reaktionen sind verlangsamt. Er muss nur einen Idioten vor sich haben und – bumms, das war’s. Ihr seid alle dahin. Aus und vorbei. Dann kann dein Papa viele kleine Särge basteln.«
    »Und warum merken die anderen Wächter das nicht?«
    »Die merken das sehr wohl.« Leander grinste kurz – ein viel zu selbstverliebtes Grinsen. »Nur können die ihn ja schlecht ansprechen und ihre Klienten auch nicht. Aber ich, ich kann es. Weil ich einen Körper habe. Ha. Ha! Jetzt steht die Zentrale aber dumm da.« Er rieb sich genüsslich die Hände.
    »Wir können hier trotzdem nicht bleiben«, beharrte ich.
    »Dann müssen wir eben immer wieder mal stoppen. Ich lass dich nicht in den Händen eines besoffenen Busfahrers, Luzie, das kannst du nicht verlangen!«
    Okay. Wenn wir jetzt zu streiten anfingen, würden wir nur mehr Zeit verlieren, und ich wollte vermeiden, dass Herr Rübsam mir nachkam und dachte, ich würde Selbstgespräche führen. Vor lauter Aufregung begann meine Blase zu drücken. Der Kaffee

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