Verzwickt chaotisch
Mädchen. Sofie. Meine einzige Freundin. Denn bei ihr im Zimmer, direkt nebenan, hatte er noch einen Körper. Alle anderen waren zu weit weg von mir, auf der anderen Seite des Flurs. Warum hatte er nicht Lena oder Steffi genommen? Die schliefen doch auch in diesem Zimmer. Warum ausgerechnet Sofie?
Nie, nie wieder würde ich ihm irgendetwas Privates erzählen. Nathan und Clarissa hatten recht. Das war wirklich eine Schande. Und so wenig ich Sky Patrol auch mochte – ich musste ihnen helfen. Sofie musste verkuppelt werden. Mit Serdan. Heute Abend. Sie war schon auf dem Serdan-Trip, also konnte ich das auch für mich nutzen. Für mich und Sky Patrol. Dann würde Leander schon sehen, was er davon hatte.
Sofie würde er jedenfalls kein zweites Mal küssen. Und hoffentlich schafften es die Cherubims endlich, ihn angemessen zu bestrafen. Es war Zeit für ein waschechtes, unbarmherziges Sky-Patrol-Disziplinarverfahren.
Ab mit dir in den Kongo, Leander von Cherubim.
Hurlyburly
Ich glaub doch, dass es Serdan war, übte ich im Geiste zum cirka zehnten Mal. Ich musste überzeugend klingen. So überzeugend, dass in Sofie nicht der geringste Zweifel aufkeimen würde. Sie musste Serdan in die Arme fallen und er musste verdammt noch mal so gut küssen wie Leander, sonst würde er Ärger kriegen. Wenn er sie denn küsste. Seufzend schob ich mich von der Bühne im Gemeinschaftsraum, um den Testlauf im Kopf zu beenden und meine Vorbereitungsphase zu starten. Die Gelegenheit war günstig.
Draußen goss es wie aus Eimern, Leander war dauerabwesend und wir hatten die Aufgabe erhalten, Gruppen zu bilden und für den letzten Abend – also heute – eine Bühnenaufführung einzustudieren. Kleine Sketche, Songs, sportliche Vorführungen. Sportliche Vorführungen! Ich hatte sofort Billy und Serdan angeschaut, doch sie schüttelten beide unmerklich den Kopf, als sie meinen Blick bemerkten.
Seppo hatte heute sowieso seine Bewährungsprobe und war weiterhin fleißig damit beschäftigt, mich zu ignorieren. Er würde nicht zum zweiten Mal in Folge Mist bauen, indem er mit uns einen kleinen Parkour-Trail trainierte. Außerdem galt die Aufgabe, uns etwas für den bunten Abend auszudenken, nur für uns, nicht für ihn und Kelly. Sie mussten uns dabei beaufsichtigen und die technischen Details regeln.
Also feilte ich mit Serdan an einer Breakdance-Nummer, was ungefähr so funktionierte: Serdan machte mir etwas vor und ich sollte es nachmachen. Wenn ich das nicht so tat, wie er es sich vorstellte, korrigierte er meine Haltung oder meine Moves und grunzte zustimmend oder ablehnend. Oder er zeigte mir die Bewegungen ein zweites Mal. Notfalls auch ein drittes Mal. Er redete also immer noch nicht. Das gestaltete mein Vorhaben mit Sofie nicht gerade einfacher. Andererseits war es wichtiger, dass er zuhörte und im Zweifelsfall küsste. Vielleicht reichte für den Anfang auch Händchenhalten oder Arm in Arm Dasitzen – ich wollte Frau Dangel ja nicht in eine Krise stürzen. Reden musste Serdan nicht zwingend. Jungs redeten meistens sowieso nur Schrott.
Ich war wild entschlossen, ihn heute Abend auf Sofie anzusetzen, gleich nach unserer Vorführung, wenn Herr Rübsam seine Gitarre auspackte und die Teelichter anzündete. Aber vorher musste ich mich vergewissern, ob Sofie auch bereit war mitzumachen. Es sollte schnell gehen, bevor einer der beiden es sich anders überlegte.
Und damit fing ich jetzt an. Unsere Breakdance-Nummer stand – das meiste hatten wir ja schon in den Hofpausen einstudiert –, die Musikauswahl auch. MP3-Files konnte die Stereoanlage nicht lesen und uns fehlte das Kabel, um einen unserer Player anzuschließen. Also hatte Serdan aus Herrn Rübsams zweifelhafter CD-Sammlung einen alten Song herausgesucht, Amadeus von Falco, irgendeinem Österreicher, der gar nicht mehr lebte. Aber die Musik hörte sich an, als wäre sie neu. Fast neu. Man konnte sich gut dazu bewegen und sie passte zu Breakdance. Ich mochte den Track.
Erst würden Serdan und ich gemeinsam tanzen, dann abwechselnd, dann synchron, dann machte Serdan ein paar seiner Robot-Moves – er war perfekt darin – und der Schluss des Songs gehörte mir. Freestyle. Ich freute mich darauf. Billys Job war, uns im passenden Moment je einen Hut zuzuwerfen, den wir gleichzeitig mit dem Kopf auffingen. Ohne die Hände zur Hilfe zu nehmen. Das hatte bisher kein einziges Mal geklappt, aber vielleicht hatten wir heute Abend Glück. Ansonsten würden wir so tun, als wäre es
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