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Verzwickt chaotisch

Verzwickt chaotisch

Titel: Verzwickt chaotisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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machte keine Anstalten, mich zu küssen.
    »Alles muss man selbst machen«, murmelte ich trotzig, hob den Kopf und drückte meinen Mund auf seinen, obwohl ich zu weinen begonnen hatte. Eine Träne löste sich aus meinem linken Augenwinkel und sickerte langsam zwischen unsere Lippen. Das ist also mein erster Kuss, dachte ich, und er schmeckt salzig. Es war nicht der Kuss, den ich mir gewünscht hatte, aber schlecht war er auch nicht. Serdan versuchte nicht, seine Zunge in meine Kehle zu stecken, nein, er wartete einfach ab, bis ich fertig war, und das ging schnell.
    »Und?«, fragte ich. »Gut? Oder nicht gut?«
    Ein schwaches Grinsen huschte über seine Lippen. Dann wurde er wieder ernst.
    »Wem willst du eigentlich eins auswischen, Luzie? Etwa Seppo? Du bist doch gar nicht mehr in Seppo verknallt. Oder?«
    »Nein, das bin ich nicht!«, rief ich heftig und merkte, dass es sogar stimmte. Wütend wischte ich über mein Gesicht, denn der verirrten Kuss-Träne waren weitere gefolgt. »Aber ich kann trotzdem nicht dabei zuschauen, wie er mit dieser blonden Tussi rummacht, es tut weh, es ist nicht fair, ich dachte immer, ich bin der wichtigste Mensch in seinem Leben … oder wenigstens so etwas Ähnliches …«
    »Und in mich bist du auch nicht verknallt«, stellte Serdan fest.
    »Ich – ich weiß es nicht! Keine Ahnung! Ich bin jedenfalls gerne bei dir im Arm«, gestand ich widerstrebend.
    »Aber da ist noch etwas anderes, Luzie. Jemand anderes«, brummte Serdan in mein Haar. »Ich weiß das genau. Und zwar schon eine ganze Weile. Du erzählst uns nichts davon, aber irgendjemand oder irgendetwas ist da noch. Du verheimlichst etwas …« Er brach ab, weil seine Bärenstimme ein gefährliches Timbre angenommen hatte. Fast hätte sie gekiekst. Nun war seine Schweigerunde gekommen – und hoffentlich zog sie sich nicht wieder über Wochen und Monate hin. Im Moment hatte ich jedoch nichts dagegen.
    »Da ist nix«, schwindelte ich. »Okay, gut, da ist etwas«, berichtigte ich mich, als ich Serdans tiefen Blick bemerkte, der sich in meine verweinten Augen stahl. »Aber ich kann nicht drüber sprechen. Und selbst wenn – ändern würde das auch nichts.«
    Ich schlüpfte aus seinen Armen, obwohl ich gerne länger darin geblieben wäre, doch Serdan ließ mich nicht gehen.
    »Wenn du es dir anders überlegst, dann redest du mit mir darüber, oder?«, hakte er nach – nun wieder auf sicherem stimmlichen Terrain. »Versprochen?«
    »Versprochen«, erwiderte ich und schluckte die restlichen Tränen hinunter. Serdan deutete auf seine Lippen. »Noch einen«, sagte er knapp. »Als Besiegelung.«
    »Okay«, flüsterte ich und stellte mich auf meine Zehenspitzen. Ich geriet ins Wanken, stützte mich aber mit der Hand an der Wand ab und öffnete genau in der Sekunde meine Lider, als ich meinen Kopf schräg legte und Serdans Lippen auf meine trafen – und schaute direkt in Leanders erschrockene Augen. Er stand so dicht bei uns, dass ich ihn hätte anfassen können. Sein Pfefferminz-Duschgel-Geruch streifte meine Nase – vertraut und gleichzeitig derart aufwühlend, dass ich schlucken musste.
    Ein paar Sekunden lang blickte Leander mich fest an, ohne mit der Wimper zu zucken. Er sah fassungslos und verletzt aus. Verletzt? Ging das denn? Ich hielt seinem Blick stand. Selbst schuld, dachte ich grimmig. Er wandte sich ab, stürmte an uns vorbei und begann zu rennen, die Gitarre auf dem Rücken und eine Stumpenkerze in der Hand.
    »Okay, genug jetzt. Hat ja eh keinen Sinn«, entschied Serdan bedauernd, nachdem er aufgehört hatte, seine Lippen auf meine zu drücken. Mein Mund schien zu brennen. Und das Durcheinander in meinem Bauch hatte sich nicht verbessert, sondern verschlimmert. »Lass uns noch ein bisschen zu den anderen gehen«, schlug er vor, als wäre nichts gewesen.
    »Ich will Kelly und Seppo nicht beim Knutschen zusehen«, bockte ich.
    »Musst du ja auch nicht. Das werden die vor Peterchen und Elvira sowieso nicht durchziehen. Mach kein Theater, Katz, das ist der letzte Abend.«
    »Zum Glück!«
    Serdan grinste zwar, aber sein Blick wirkte ein wenig traurig. Nicht so entsetzt wie der von Leander, aber traurig.
    »Ich bin froh, dass du wieder redest. Ehrlich«, sagte ich, um ihn aufzumuntern.
    »Schon gut, Katz«, murmelte er und schob mich zurück in den Gemeinschaftsraum, wo Herr Rübsam mit seliger Miene auf seine Gitarre einprügelte. Lady in Black. »Aaah-haaa-haaaa-hahahaaaahahahaaaa«, grölten alle.

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