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Video-Kid

Video-Kid

Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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entsetzlich. Ich legte die Hände vors Gesicht.
    »Kid, du hast eine Blase auf der Stirn«, sagte Anna. »Die mußt du dir behandeln lassen. Ganz davon abgesehen, kannst du dir doch in Telset neue Kameras kaufen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Du gehst besser nicht mit mir. Anna. Meine Suppressoren wirken nicht mehr. Hormone strömen durch meinen Blutkreislauf und verwandeln mich in ein Tier. Ich weiß nicht mehr, was mit mir geschieht. Ich bin jetzt wertlos für euch. Meine Kameras sind fort, ich verliere meine Identität, und das heißt, daß meine Gefolgschaft und mein Ruhm schwinden. Niemand wird mich wiedererkennen. Ich kann euch nichts mehr geben, ich bin nur noch eine Last für euch.«
    Anna verzog das Gesicht. »Nein, man soll sich nie für etwas schämen, wofür man nichts kann. Außerdem sind ja nur wir drei hier. Meinst du, einer von uns würde etwas davon in Telset erzählen?«
    Armbruster verschränkte die Arme vor der Brust. »Warum willst du jetzt schon aufgeben? Wir haben den Strom erreicht! Von hier bis zum Meeresstrand ist es nur noch ein Tag bequemen Fußmarsches. Jetzt höre endlich auf, Trübsal zu blasen, Kid, das ist unter deiner Würde. Stell dich einfach auf die Füße und folge mir.«
    Anna half mir hoch, während Armbruster gemächlich stromabwärts ging. Seine Füße sandten bei jedem Tritt Sporenwolken aus dem dicken Masseteppich am Ufer hoch. Das Neutrum war kaum zehn Meter weit gekommen, als die weiße Kruste unter seinem Gewicht zerbrach. Armbruster fiel mit einem großen Platscher in eine ätzende, dicke Flüssigkeit.
    Wir rannten auf die Stelle zu und stocherten mit der Stange, an der wir sonst unser Zelt und unser Gepäck trugen, in der Brühe nach dem Professor. Minuten vergingen. Wir wollten schon verzweifeln, als wir spürten, wie etwas am anderen Ende der Stange zerrte. Wir zogen mit aller Kraft und bekamen das Neutrum langsam aus der dicken, klebrigen Masse frei. Armbruster hielt sich mit aller Kraft am letzten Stück der Stange fest. Auf Händen und Knien kroch es aus dem Gewässer und war von Kopf bis Fuß mit einer dicken Schicht des übelriechenden Matsches bedeckt. Das Neutrum würgte Schlammflüssigkeit hinaus, zwang sie aus seinem Bauch, seinen Lungen und seinen Kiemen, dann kroch es matt und hustend zum Fluß. Es fiel halb ins Wasser und verschwand unter der Oberfläche. Weißer Schaum trieb über ihm auf dem Wasser.
    Der Gestank der geronnenen weißen Masse brachte meine Kopfhaut wieder zum Prickeln. Auf meiner Stirn und rund um meinen Kopf hatte sich schon ein Netzwerk von kleinen Blasen breitgemacht. Ich sah aus, als würde ich eine Krone tragen. Überraschenderweise schmerzte dieser Aussatz nicht, obwohl die Haut an diesen Stellen rot und geschwollen war und meine Milben dort wie verrückt herumkrabbelten.
    Ich setzte mich auf eine Ausbuchtung in den aufgetürmten Massefibern. und wartete darauf, daß der Professor wieder auftauchte. Anna blieb einige Minuten lang ganz still stehen und starrte gedankenverloren auf die Stelle, an der das Neutrum eingebrochen war. Dann kam sie zu mir, setzte sich neben mich, sagte aber immer noch nichts. Wir aßen unsere übriggebliebenen Vorräte auf, und meine hormonbedingte Übelkeit ließ ein wenig nach. Eine halbe Stunde verstrich. Endlich rauschte das Wasser nahe am Ufer, und Armbruster mühte sich heraus.
    Seine Haut hatte überall Blasen geworfen und hing prall von seinem Fleisch herunter. Offensichtlich war sie vollgesogen, und aus einigen der Blasen tropfte Wasser. Anna und ich fuhren erschrocken zurück. Armbruster hustete krampfartig und spuckte eine ganze Ladung weißen Matsches aus. »Ich bin in Ordnung«, krächzte es. »Es tut nicht weh.«
    »Du stirbst!« schrie ich. »Du siehst aus, als hättest du am ganzen Leib Verbrennungen dritten Grades!«
    »Nur die Oberfläche«, antwortete es. »Sieh her, sie läßt sich einfach abpellen.« Es zog mit seinen verkrusteten Händen an einer der Blasen. Ein breiter Hautstreifen löste sich, und darunter zeigte sich die geschwollene, weiße Endodermis. »Das einzige, was mir weh tut, sind diese Splitter in den Händen. Nein, Anna, faß sie nicht an. Ist nicht so schlimm.« Armbruster atmete tief ein. Die Miene auf seinem Gesicht mochte Resignation ausdrücken, aber bei den vielen Blasen war das nicht leicht festzustellen. »Keiner von euch beiden darf mich anfassen. Ich habe zuviel Armbruster-Körper geschluckt und verdaut. Ich weiß nicht, welche Auswirkungen das auf euch haben

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