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Video-Kid

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Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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zuerst auf ihn schießen, Armitrage«, sagte ich. »Warum willst du immer die beste Rolle haben?«
    »Ha!« machte Armitrage. »Ich bin schon mal Zeuge gewesen, wie du mit diesem Ding umgehst. Du könntest nicht mal eine Riesenseegurke treffen. Davon abgesehen habe ich mich nicht mit Smuff vollgestopft.«
    »Ich bleibe aber trotzdem an Deck«, sagte ich. »Wenn er tief genug über uns hinwegzieht, verpasse ich ihm ein Ding.«
    Armitrage besah sich die Pistole. »Noch drei Kugeln. Damit können wir nicht gerade ein Trommelfeuer veranstalten.« Er sah mich an, und seine Augen leuchteten. »Es gibt noch viele Dinge, die ich erfahren will. Viele Dinge, die ich noch nicht getan habe. Projekte, an denen ich mich noch nicht versucht habe.« Er sah hinauf zu dem Segelflugzeug. »In meinem Kopf brodeln die Taten, die getan werden wollen.«
    Mit allem Ernst und einer fast schon morbiden Fröhlichkeit erklärte Sanktanna: »Das Universum verwöhnt die, die in Rechtschaffenheit und Pflichterfüllung sterben. Ich habe keine Angst.«
    »Sieh nur«, sagte Armitrage. Soforttod hatte die gewünschte Höhe erreicht. Nun löste er sich aus der langen Spirale seines Thermalaufstiegs und näherte sich uns von Süden. Kurz wackelte er mit den Tragflächen. »Er salutiert vor uns.«
    »Wie nett von ihm«, sagte ich. Zwei meiner Kameras hatten bereits auf Tele umgestellt und folgten dem Gleiter, als er seinen steilen und tödlichen Sturzflug begann.
    »Ihr solltet jetzt wirklich in die Kabine gehen«, sagte Armitrage, »oder besser noch in die Laderäume. Die haben nämlich einen Schutzmantel aus Keramik. Dort seid ihr zumindest etwas sicherer.«
    »Nein«, erklärte Sanktanna, »ich möchte es sehen. Eigentlich ein Erlebnis.«
    »Ja«, sagte Moses Moses. »Wenn jetzt unser Tod ansteht, dann wollen wir ihn genießen, wie wir alles andere im Leben genossen haben.« Niemand entfernte sich von Deck. Der Golfwind roch scharf, salzig und lebensspendend. Mir kam es in diesem Augenblick so vor, als hätte ich ihn nie zuvor wirklich gerochen. Eine kleine Fischschule schoß aufgeregt an der Wasseroberfläche hin und her, um einem Räuber zu entkommen. Die Tragflächen wackelten zweimal. Keiner von uns sagte ein Wort.
    Der Drachen war wunderbar. Seine Flügelspannweite betrug mindestens achtzehn Meter. Er war extrem leichtgewichtig, aber auch sehr hart. Fast war es ein Vergnügen, von einem solchen Meisterwerk der Technik getötet zu werden.
    Der Gleiter kam uns an Steuerbord näher, so als gleite er auf einer Rutschbahn heran. Armitrage spreizte die Beine und hob beide Arme. Seine Rechte umfaßte die Linke. Plopp machte die Pistole ... und noch einmal ... und ein drittes Mal. Ich sprang über Bord.
    Kreischend und knarrend erfolgte die Explosion. Ein hölzerner Splitter schoß neben mir ins Wasser, und ich fühlte ihn mehr, als daß ich ihn sah. Überall zischte es. Wasserblasen bildeten sich. Ich hielt den Atem an. Das Gewicht meiner metallverstärkten Hose und Jacke und das des Nunchucks zogen mich langsam unter Wasser. Stücke aus der Albatros sanken rings um mich herum in den Golf, und dann wurde alles dunkel. Im ersten Moment glaubte ich, mich hätte ein Trümmerstück getroffen, aber dann bemerkte ich, daß das zerfetzte Hauptsegel des Schiffes sich über mich gesenkt hatte. Ich legte den Nunchuck um den Hals und strampelte meinen Weg unter dem Segel hinaus. Mein Kopf stieß durch die Wasseroberfläche, und ich atmete die willkommene Luft ein.
    Was vom Deck der Albatros übriggeblieben war, war längst von den Fluten überspült. Die Explosion hatte den Mast umgerissen. Beide Laderäume waren aufgeplatzt, und Wasser strömte in sie hinein. Ich sah, wie ein Korb aus einem Loch flog, hinausgestoßen von einem großen Schwarm schmutziger Wasserblasen. Rasch entledigte ich mich tretend meiner metallbeschwerten Hose, bis ich nur noch den verstärkten KampfUnterleibsschutz trug. Endlich war es mir möglich, die Beine beim Schwimmen einzusetzen.
    Während ich Salzwasser aus meinen Augen wischte, sah ich mich um und entdeckte Sanktanna. Ihr sackartiges weißes Gewand war an den Hand- und Fußgelenken fest haftend, und so bildete es eine Art Luftballon, der sie über Wasser hielt. Ich schwamm zu ihr. »Alles in Ordnung?« Sie wirkte sehr fremd.
    Das grob geschnittene Haar klebte an ihrem ovalen Schädel.
    »Ja«, sagte sie. »Aber mit meinen Beinen stimmt etwas nicht. Ein Stück Holz oder was hat mich an den Kniekehlen getroffen. Aber es tut nicht

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