Video-Kid
Blut in seinem Mund. »Ist er tot?« brüllte er.
Ich nickte. Meine Kehle war rauh und von den Tränen heiser. »Tut mir so leid«, schrie Moses. »Wir wollen ihn aufs Deck legen.«
Wir schoben den schlaffen, willenlosen Körper auf die zersplitterten, wasserüberfluteten Planken des Decks. Als ich jetzt sah, wie die Explosion seinen schönen Leib aufgerissen hatte, kamen mir wieder die Tränen, und ich spürte Ohnmacht und Schmerz.
Anna kam. Unbeholfen schwamm sie in ihrem aufgeblähten Sack auf uns zu. Mittlerweile waren wir leicht auszumachen, wo uns eine ganze Wolke von Kameras umschwirrte. Armitrages vier Geräte hingen über ihm und nahmen aus allen möglichen Winkeln sein blutbeflecktes Antlitz auf. Anna hielt in einiger Entfernung inne und trat Wasser, um auf der Stelle zu bleiben. Es schien sie außerordentlich zu verblüffen, mich weinen zu sehen.
Eine Minute verging. Ich tauchte mein überhitztes Gesicht ins kalte Meereswasser. Die Tränen versiegten. Dann hörte ich einen Aufschrei Annas. »Etwas hat meine Beine gestreift!«
Ein breiter, dunkler Schatten zog knapp unter der Wasseroberfläche an uns vorbei. »Rochen!« brüllte Moses Moses. Wir schwammen um unser Leben.
Nach einigen Metern mußte ich mich einfach umdrehen und einen Blick zurückwerfen. Große Hochsee-Rochen mit bunt getupften Rücken und breiten, ledrigen Flossen von nahezu zehn Metern Länge. Mindestens drei von ihnen trieben sich in der Nähe der Albatros herum. Ich hörte, wie sie explosionsartig Luft durch ihre Spritzlöcher stießen. Die Erschütterung der Bombendetonation und der Blutgeruch hatten sie angelockt. Ich sah, wie die toten Arme Armitrages hochschossen, als einer der Rochen mit dem Maul seine Füße packte und ihn unter Wasser zog. Das Wasser wirbelte auf, als die Tiere vor Erregung mit ihren langen und giftigen Schwänzen um sich schlugen. Ein Rochen schoß aus dem Wasser und zerstörte mit einem einzigen Biß zwei von Armitrages Kameras. Ich drehte mich rasch wieder herum und schwamm den anderen nach.
Nach etwas über zweihundert Metern waren wir erschöpft. »Meine Kleider«, keuchte Moses. »Sie ziehen mich nach unten!«
Anna half ihm, aus der Jacke zu kommen, und ich zog ihm die schwere, an seiner Haut klebende Hose aus. Ich wollte das Stück gerade im Meer versinken lassen, als Anna rief: »Warte, Kid!« Während Moses ausgepumpt auf dem Rücken trieb, nahm Anna seine Hose und verknotete die Beinenden. Dann atmete sie tief ein, tauchte unter und blies die Luft in den Hosenbund. Nach etlichen Wiederholungen waren die Hosenbeine stramm. Anna drückte das Oberteil des Stücks unter Wasser und hatte so aus der Präsidentenhose eine behelfsmäßige Schwimmweste gemacht. Keuchend und mit hochroten Gesichtern klammerten wir uns an das Stück. Der nasse Stoff hielt die Luft recht gut, auch wenn wir beobachten konnten, wie sie langsam durch die Nähte ausströmte und in kleinen Bläschen an die Wasseroberfläche trieb.
Wir legten uns auf den Rücken, hielten uns an den aufgeblasenen Hosenbeinen fest und stellten fest, daß wir so recht mühelos und angenehm vorankamen. Moses Moses hustete so lange, bis er seine Lunge vom Meerwasser befreit hatte. »Ich kann mich husten hören!« rief er. »Ich bin nicht taub, sondern meine Ohren waren nur zu! Ist mit dir alles in Ordnung, Sanktanna?«
»Ja«, sagte sie. »Ich glaube, ein Stück Holz hat mich an der Rückseite der Beine getroffen, aber es war nicht weiter schlimm. Ich habe weder eine Schramme, noch blute ich.«
»Irgend etwas ist gegen meine Rippen geprallt«, sagte Moses. »Und ich habe mir an diesem Stück Holz die Hände aufgerissen. Das tut zwar immer noch etwas weh, blutet aber nicht mehr. Und wie steht es mit dir, Kid?«
»Nicht der kleinste Kratzer«, erklärte ich bitter. »Ich hätte bei ihm an Bord bleiben sollen ...«
Moses Moses lachte leise. »Warum fühlst du dich schuldig, Kid?« fragte er mich sanft. »Er hätte uns sicher nicht um ein paar weitere Stunden Leben beneidet. Ich halte nichts davon, meine letzten Momente in Schmerz und Pein zu verbringen. Gibst du mir bitte etwas von deiner Droge?«
Ich schämte mich dafür, den beiden nicht eher von meinem Smuff angeboten zu haben. »Aber natürlich«, sagte ich und zog den wasserdichten Beutel aus meiner Kampfjacke. »Verschütte aber nichts. Eine Prise dürfte reichen. Du auch, Anna?«
Ihr Gesicht zeigte zunächst schmerzvolle Empörung. »Nein«, sagte sie dann. »Jetzt noch nicht. Trotzdem
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