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Video-Kid

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Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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wie Lager sein, Schlafstätten für uns Arbeiter, um es einmal verkürzt auszudrücken. Aber nach einigen Jahrzehnten gibt der Mensch sich mit solcher Schlichtheit nicht mehr zufrieden. Man fängt an, die Arbeit zu lieben, das zu mögen, was man mit seinen eigenen Händen geschaffen hat. Aus der Arbeitsstätte wird das neue Heim. Und die Eininseln haben ihre ganz eigenen Vorzüge, zum Beispiel die Schwerelosigkeit im Zentrum. Bald entwickelten sich mehr oder weniger spontan Hunderte verschiedener Freizeitbeschäftigungen, vom Sport bis zum Sex. Und diese Formen verliehen uns unsere Einzigartigkeit, unsere Eigentümlichkeit. Niemand wollte sie mehr missen. Und gerade als wir damit begannen, den Planeten zu kolonisieren, gaben einige Eininseln ihren Standort in der Gruppe auf und gingen auf die Reise, wurden zu Hochgleitern, machten es genauso wie die Konföderation. Natürlich blieben sie im Orbit über Träumerei, denn diese Welt ist viel zu wunderbar, um sich von ihr zu entfernen, aber sie hatten ihre Entscheidung getroffen: Sie wollten im Raum bleiben, und ich konnte nichts dagegen unternehmen. Wahrscheinlich hätte ich durch ein Verbot oder eine andere Maßnahme unser gesamtes soziales Gefüge auseinandergerissen. Aber ich ging mit gutem Beispiel voran und landete auf Träumerei, und ich lebte fortan in einem dieser häßlichen, von den Drohnen erbauten Bunker, an deren Konstruktion ich selbst mitgewirkt hatte. Sie waren ungemütlich und scheußlich, und jedesmal, wenn ein frischer, neuer Wind über das Land fuhr, legten wir uns alle hin, weil wir uns unpäßlich fühlten. Wir achteten natürlich sehr auf unsere Gesundheit, und schwere Erkrankungen waren eigentlich selten, aber unser ganzes Leben wurde von Vorsichtsmaßnahmen reglementiert. Ständig mußten wir Tests, Impfungen und andere Behandlungen über uns ergehen lassen, und die meisten von uns litten wahrscheinlich in einem fort an der einen oder anderen Sache. Dumme kleine Leiden wie Erkältungen, Durchfall, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, entzündete Lider, Pusteln an Händen und Füßen, Ausschlag und juckende Entzündungen. Eigentlich nichts Ernstes und erst recht keine dramatische Erkrankung, sondern eher triviale Ärgernisse, die den Willen lähmten, wo wir doch alle Kraft brauchten. Aber schließlich waren wir Pioniere. Doch selbst bei einer bestmöglichen technischen Ausrüstung erwarten den Pionier immer noch einige Probleme. Die Hochgleiter empfanden das natürlich ganz anders. Mit einer Kamera-Drohne kann man ziemlich viel von Träumerei sehen, ohne sich dabei einer Krankheit auszusetzen. Man sitzt bequem in seiner hübschen Eininsel und macht sich auf die Kamera-Reise. Die Schwerkraft macht einem nicht zu schaffen, man bekommt keinen Sonnenbrand und hat auch nie Sand in den Schuhen. Mit einer Direktverbindung zum Gehirn erhält man von den Drohnen einen ausgezeichneten Eindruck davon, wie es auf dem Planeten riecht und wie es sich anfühlt. Die Versuchung war zu groß, die Eininsel nicht mehr zu verlassen und von dort den Planeten mit einem Blick als Ganzes zu sehen statt nur ein paar Quadratkilometer durch ein kleines Quarzfenster. Die Hochgleiter wollten sich nicht mehr anstrengen, und wer wollte ihnen das nach hundert Jahren schwerer Arbeit verdenken? Eininseln sind Selbstversorger, jede verfügt über ihr eigenes Lebenserhaltungssystem. Hochgleiter neigen dazu, sich zu isolieren, aus ihrer Eininsel eine Art eigenständigen Stadtstaat zu machen. Unser ausgezeichnetes Kommunikationssystem hat diese Entwicklung Gott sei Dank weitgehend verhindert, aber nichtsdestoweniger waren die Hochgleiter nur schwer zu kontrollieren …
    Allmählich wurde im Lauf der Jahrzehnte unser Leben etwas angenehmer. Jahr um Jahr zeigte es sich von einer besseren Seite, jedes neue schien rascher zu vergehen als das vorherige. Die ersten Siedler wurden immun, und wir konnten uns in unserer neuen Heimat mehr umsehen, Reisen ins Landesinnere machen, unsere eigene Lebensart entwickeln und Vorteile aus dem unvorstellbaren Reichtum dieser Welt ziehen. Wir liebten sie bald wie eine Mutter, sahen sie nicht mehr als Feind an, dem man jeden Quadratmeter Boden abringen muß. Träumerei ist so wunderbar, daß man diese Welt nur als Geschenk ansehen kann. Einst hat hier eine intelligente Rasse gelebt. Ich habe mich oft gefragt, was diese Wesen wohl getan und wie sie ausgesehen haben. Es war ja sehr nett von ihnen, sich selbst auszurotten und uns ihre Welt zur Verfügung zu

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