Video-Kid
ins Wasser. Die leuchtenden Punkte bewegten sich unisono, schwankten in einer Art von verzerrter Wellenbewegung vor und zurück, und wie aus heiterem Himmel schienen sie freizukommen und fingen an, mit schrecklich langsamer Entschlossenheit zu uns hochzutreiben.
»Da ist es!« schrie Moses. »Schwimmt um euer Leben!«
»Nein, bleibt wo ihr seid!« rief ich. »Es ist doch viel zu groß und überall!« Und dem war auch so. Der Körper des Gebildes war ungeheuer. Wir hielten einander an den Armen und warteten auf unser Ende.
Voller Furcht zogen wir die Beine und Arme an, aber das half uns natürlich kein bißchen. Jeder von uns schrie panikerfüllt auf, als das heiße Gewebe uns berührte. Und dann hob es uns aus dem Wasser. Wir lagen auf der warmen, netzartigen Oberfläche plump herum wie gestrandete Wale, und unser bedauernswertes und improvisiertes kleines Floß zerplatzte wie eine übervolle Blase. Wir hörten, wie das ›Ding‹ unter uns schmatzte und schnappte und Geräusche verursachte, die wie das Knattern feuchter Segel in einer frischen Brise klangen. Weiter trug es uns nach oben, immer höher und höher hinauf in die dunkle Nacht. Irgendwann stellten wir das Schreien ein und klammerten uns nur noch mit Händen und Füßen an die gespannte und blasse Seegras-Membran. Wir waren mindestens dreihundert Meter hoch gestiegen, als eine Brise aufkam. Gemächlich driftete das gewaltige Ding mit dem Wind nach Westen. Wir flogen mit - und begriffen erst jetzt, was uns widerfahren war.
Wir waren auf einer fliegenden Insel gestrandet.
10
Wir konnten unsere Umgebung aufgrund des gelbgrünen Glühens von den runden, phosphoreszierenden Knollen auf der Haut der Insel recht gut erkennen. Die titanische Flugblase der Insel bestand aus Hunderten von Zellen aus einer dünnen, festen Haut, die wie eine riesige Schaumblase oder wie Weintrauben zusammengepreßt waren. Jede der an die fünfzig äußeren Gaszellen besaß ihre eigene, breite und glühende Knolle.
Wir drei waren halb in der tiefliegenden Nabe zwischen zwei großen Gaszellen zu liegen gekommen. Die Seegras-Membran der Zellen war recht stramm gespannt und immer noch feucht vom Meereswasser. Wir hatten einige Mühe, uns dort festzuhalten. Zwar befanden wir uns nicht auf dem Scheitelpunkt des riesigen Traubenballons, aber die Gefahr eines Hinabgleitens und Abstürzens war dennoch gering. Enorme Erleichterung befiel uns.
»Wir sind auf einer fliegenden Insel«, hörte ich Moses murmeln, »einer fliegenden Insel.« Dann stieß er seine plumpen Finger glitschig quietschend in die Membranhaut, als könnte er seinen Sinnen nicht trauen.
»Ja!« sagte ich heiser, »wir sind in Sicherheit! Wir sitzen hoch oben in der Luft und sind in Sicherheit!« Ein Gefühl der Befreiung von den Anspannungen der letzten Stunden durchwogte mich. Meine Laune und mein Wohlbefinden stiegen an wie die Insel selbst, und ich brach in hysterisches Lachen aus. Meine Kehle war allerdings so ausgedörrt und wund, daß sich ihr nur ein mattes, verzerrtes Gackern entrang, das mir Angst machte.
»Oh, richtiges Wasser!« hörte ich Anna entzückt ausrufen. »Seht nur, dort sickert es heraus!«
Moses und ich krochen sofort mit erbärmlicher Hast auf die Stelle zu. Anna hatte sich nicht getäuscht. Eine dünne und kräftige braune Brühe löste sich aus der Membranverbindung zweier Zellen. Jeder von uns tauchte das Gesicht in die Pfütze und leckte und saugte in höchst viehischer Weise die Flüssigkeit auf. Viel war ja nicht von dem Naß vorhanden. Wir mußten die Nasen in die Rinne stecken, während wir wie wild schlürften, mußten förmlich in die Rinne hineinkriechen, um die trockenen Münder zu benetzen; und dennoch war es wunderbar.
Nach einer Minute oder länger hatte ich meiner wunden Kehle mit dem heraussickernden Saft Linderung verschafft und stand auf. Aber meine Beine wollten mich nicht mehr tragen. Erst nach einiger Anstrengung gelang es mir, aufrecht zu stehen, und ich spürte, wie die straffe und heiße Haut des Ballons unter meinen Füßen nachgab. Ich machte ein paar Schritte wie auf Gummi und erreichte einen der glühenden, phosphoreszierenden Punkte.
Die leuchtende Knolle auf der Zelle hatte einen Durchmesser von knapp zwei Metern. Die Gaszelle selbst war groß, sechseckig und maß von einem Ende zum anderen zwischen sechs und acht Meter. Ich stieß mit einem Griff meines Nunchucks nach der Knolle. Zelle und Leuchtpunkt zerbrachen, und eine gelbgrüne Paste quoll aus der
Weitere Kostenlose Bücher