Video-Kid
Knolle. Ein scharfer Geruch nach Chemikalien und ein kurzer Hitzehauch streifte mich, als ich die Waffe mit einigen Spritzern von der Substanz an die Nase führte. Ich hielt sie den Kameras entgegen und wischte die Paste dann an der bläßlichweißen Zellenhaut ab.
Als ich mich wieder aufgerichtet hatte, erhielt ich einen groben Überblick über die Ausmaße der Insel. Rings um mich herum war Horizont zu sehen, etwa gleichmäßig hundert Meter in jeder Richtung entfernt. Unzählige glühende Scheiben waren zu erkennen, eine in jeder Zelle. Der Anblick erinnerte mich sehr an die runden multizellularen Organismen, die ich unter Professor Armbrusters Mikroskopen gesehen hatte. »Viellücker« hatte das Neutrum sie genannt. So gelassen und ruhig waren sie im Wassertropfen herumgeschwommen, wie es hier diese Ballontraube im Ozean der Luft tat.
Moses und Anna krochen noch immer - den Kopf gesenkt, das Hinterteil nach oben gereckt - durch die Membranrinnen. Man konnte sich kaum eine weniger passende Stellung für den Gründer der Korporation vorstellen, und erst recht nicht für eine Heilige. Dennoch ließ ich es mir nicht nehmen, sie beide mit den Kameras einzufangen.
»Wir sind in Sicherheit«, sagte ich zufrieden, »und ich habe alles aufgezeichnet.« Meine Knie wurden weich, und ich brach zurückfedernd auf einer Zelle zusammen. Ich war auf dem Rücken gelandet, rappelte mich wieder auf und glitt durch eine breite Rinne zwischen zwei Membranen. Der Wasserstoff in den Blasen unter mir war erquickend warm. Ich breitete in wohliger Hemmungslosigkeit die Arme aus und rekelte mich auf der dünnen Haut über dem heißen, explosiven Gas. Dann zog ich meine Kampfjacke aus, faltete sie zusammen und tauchte sie als Stütze in die Nässe. Eine warme Brise streifte meine nackte Haut. Ich gähnte, wohlig, aber unfreiwillig, und sah zu den Sternen hinauf. Soforttod hatte es nicht geschafft. Angelhecht war gescheitert. Die Kabale hatte versagt. Meine Rache würde furchtbar sein. Ich schlief den gemütlichen und friedlichen Schlaf des hoffnungsvollen und mörderischen Racheengels.
Im Morgengrauen wachte ich auf, nach acht Stunden der chaotischsten Träume. Die Luft war kalt und merklich dünner geworden, aber vom Ballon ging immer noch Wärme aus. Ich richtete mich auf. Durst und Hunger plagten mich, und die Schmerzen in meinen ausgelaugten Muskeln waren nicht mehr zu ignorieren. Das unglaubliche Panorama flockiger Seewolken, die weit unter uns dahinzogen, lenkte mich ab, aber nur für einen kurzen Augenblick.
Moses Moses saß ganz in der Nähe. »Ich stehe kurz vor dem Hungertod«, sagte ich. »Was gibt's zum Frühstück?«
Der Gründer lachte dumpf, und mein knurrender Magen sank bis in die Kniekehlen. »Was hättest du denn gern?« meinte er. »Ich habe ein wenig von der glühenden Paste aus den Leuchtknollen probiert. Eigentlich hätte ich es besser wissen müssen. Das Zeugs hat mir die Zunge verbrannt. Was das Trinken angeht, so ist immer noch ein bißchen von dem Saft da, obwohl das meiste davon in der vergangenen Nacht verdunstet ist. Die Insel scheint Ballast abzuwerfen.« Moses zuckte die Achseln. »Ich habe mich in der Nacht etwas umgesehen. Der Ballon hat einen Durchmesser von etwa sechshundert Metern. Möglicherweise findet sich unten im Dreck und Schlamm, den er mit sich trägt, etwas Eßbares. Vielleicht Seesterne oder etwas in der Art. Aber wie sollen wir dorthin gelangen? An den Membranen können wir uns nicht festhalten. Also scheidet das Hinunterklettern aus. Wir würden abrutschen, und bis zum Meer unten ist es eine ganz schöne Entfernung. Wir sind ziemlich genau auf der Spitze dieses Gebildes gestrandet.«
Ich schüttelte ungeduldig den Kopf. »Was sollen wir also tun? Hier herumsitzen, bis wir verhungert sind?«
»Nicht so laut«, sagte der Gründer. »Anna schläft noch, das arme Mädchen. Sie ist völlig erschöpft.« Er machte eine kleine Kunstpause. »Mir ist da eine Möglichkeit eingefallen. Wir könnten einige der Zellen aufreißen und versuchen, durch das Zentrum des Ballons zur unteren, zur antipoden Seite durchzustoßen. Wie dem auch sei, wenn wir dabei schon nicht in die Luft fliegen, ersticken wir wahrscheinlich am Wasserstoffausstoß oder werden zwischen den sich ausdehnenden Zellen zerquetscht, am ehesten in der Nähe des Zentrums. Tut mir leid, Kid, aber es sieht nicht gut aus für uns.«
»Und die Zellenwände?« sagte ich. »Hast du die probiert?«
»Zu zäh«, antwortete er. »Das wäre
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