Video-Kid
befriedigenden Abschluß. Oder im Sinne deines Vaters.«
»Tatsächlich?« sagte ich. »Weißt du, Professor, ich bin wieder in der Lage, dir politisch zu helfen. Mittlerweile bewege ich mich in ziemlich hochstehenden Kreisen. Und soll ich dir etwas sagen, dieser nackte Mann da in meiner Begleitung, das ist …« Ich zögerte, wollte das Vertrauen meines alten Tutors nicht noch mehr strapazieren. »Ach was, soll er doch selbst seine Geschichte erzählen. Was er zu sagen hat, klingt unfaßbar, ist aber wahr.« Ich sah es ernst an. »Kein Trick steckt dahinter, Professor. Ich bin jetzt erwachsen, und solche Kindereien habe ich nicht mehr nötig. Immerhin habe ich einen Ruf zu verteidigen.«
»Dann legst du anderen Leuten keine Krabben mehr in die Betten? Fesselst sie nicht mehr im Schlaf mit Seegras? Legst ihnen keine aus Leim und Faden gebastelten Insekten mehr auf den Teller? Läßt in ihren Duschen keine künstlichen amputierten Beine oder sonstigen Gliedmaßen mehr zurück?«
Ich lachte in erzwungener Gelassenheit. »Nein, Professor, ich habe mich wirklich geändert. Vor allem bin ich ernster geworden. Jetzt bin ich Video-Kid. Ich habe Hunderte von Fans. Tausende. Ich habe mein eigenes Haus und besitze vier Anteile.« Wieder hielt ich inne. »Allerdings hat sich die Lage in jüngster Zeit etwas gewandelt. Um ehrlich zu sein, sie hat sich enorm gewandelt.« Ich hüstelte trocken. »Gib mir etwas Wasser, und dann erzähle ich dir alles.«
»Selbstverständlich. Aber da kommen deine Freunde. Stelle sie mir doch bitte vor, Vid.«
»Gern, Professor. Die Dame dort in Weiß ist Sanktanna Zwiegeboren.«
»Die Sanktanna Zwiegeboren?« entfuhr es Armbruster. »Unfaßbar! Aber es ist wahr! Sie ist es!« Es marschierte unbeholfen auf die beiden zu und streckte die Arme ein wenig aus, um in dem für ihn ungewohnten Medium Luft seine Balance halten zu können. In diesem Augenblick war ich froh, daß der Professor es mir fürs erste erspart hatte, Armbruster mit dem Gründer der Körperschaft bekanntmachen zu müssen. Das wäre zuviel des Guten gewesen, für das Neutrum wie für uns.
Mir fiel auf, daß Moses Moses die Pein auf sich genommen hatte, wieder in seinen Einteiler zu steigen.
»Du bist Sanktanna Zwiegeboren«, sagte Armbruster. »Erinnerst du dich noch an mich? Vor vielen Jahren sind wir uns einmal kurz begegnet. An einer Rezeption in Peitho.«
Anna schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber selbstverständlich habe ich von dir gehört, Professor. Und jetzt freue ich mich so sehr, dich hier anzutreffen.«
Das Neutrum lächelte schüchtern. »Das ist das am wenigsten erwartete Vergnügen meines ganzen langen Lebens, kann ich dir versichern. Und Sie, mein Herr?«
»Ich reise unter dem Namen Amphinus Pfingstkamm«, erklärte Moses Moses in weiser Zurückhaltung, »und ich freue mich sehr, einer so wohlbekannten Persönlichkeit auf dem Feld der Wissenschaft persönlich zu begegnen. Das Streben nach Wissen ist das einzige wahre hervorragende menschliche Bemühen. Wie man vor Unzeiten sagte: ›Der Federhalter ist mächtiger als das Schwert.‹«
Wir alle drei starrten beeindruckt auf Moses. »Der Federhalter ist mächtiger als das Schwert.« Ebensolche offen ausgesprochenen und prägnanten Aphorismen hatten das Erkenntnisvermögen und die Weisheit des Gründers auf zwei Planeten berühmt gemacht.
Professor Armbruster war begeistert und fühlte sich geschmeichelt. »Ich danke Ihnen sehr, mein Herr. Aber wir wollen keine Zeit mehr verlieren und uns sputen, das Notwendige für ihre Ernährung und Pflege zu veranlassen. Mir ist durchaus nicht entgangen, wie erschöpft ihr alle ausseht.« Das Neutrum sah uns liebenswürdig an. Der Anblick von Sanktanna schien sein Mißtrauen zumindest fürs erste besänftigt zu haben.
Anna trug nicht mehr ihr Heiligengewand. Statt dessen hatte sie sich, nur unter Zuhilfenahme ihrer Hände und Zähne, aus dem blassen, gefurchten Ballonmaterial einen groben Poncho gefertigt. Oben hatte sie den Kopf durchgesteckt und das Stück sonst mit einem langen, rauhen Gürtel um die Hüfte zusammengebunden. Normalerweise hätte sie damit ein zu drolliges Bild geboten, aber Anna trug ihren Poncho mit einer so frech wirkenden Grazie, daß ich mir das Lächeln sofort verkniff. Wenn sie ging, enthüllte das Stück ihre blassen, unrasierten Beine fast bis zum Knie.
»Kommt bitte hier entlang, und wir schlüpfen durch die Luftschleuse«, sagte Armbruster
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