Viel Laerm um Stratfield
wundervolle Gastfreundschaft. Weil du mir erlaubst, in deinem Haus zu wohnen, und weil du mir die Chance gegeben hast, mich zu bessern."
Tante Gwendolyn schnaubte. „Hör damit auf, Chloe. Ich bin nicht so närrisch, wie du und dein Onkel zu denken scheinen. Du hast dich ebenso wenig gebessert wie Stratfield."
„Bist du böse auf mich, Tante Gwendolyn?", fragte Chloe unschuldig.
Ihre Tante runzelte die Stirn. „Das werde ich deinen Brüdern überlassen, die vermutlich nie wieder mit mir sprechen werden, nachdem sie erfahren haben, was unter meinem Dach geschehen ist."
Pamela blickte Chloe voller Mitgefühl an. „Müssen wir ihnen denn unbedingt etwas davon sagen?"
„Ich weiß nicht, wie wir das Unausweichliche umgehen können", erwiderte ihre Mutter.
Chloe wusste es auch nicht, obwohl sie auf der kurzen Fahrt nach Hause angestrengt darüber nachdachte. Natürlich würde bald jeder wissen, dass Dominic nicht tot war. Seine Geschichte würde in London eine Sensation kreieren, und die Rolle, die sie dabei gespielt hatte, würde einen neuen Skandal verursachen.
Ja, ihr war durchaus bewusst, dass sie sich früher oder später dem Unausweichlichen stellen musste, aber sie hatte nicht erwartet, dass das Unausweichliche in der einschüchternden Gestalt ihres älteren Bruders Heath bereits im Salon auf sie wartete.
Sie hätte eigentlich ahnen können, dass einer ihrer Brüder angekommen war, zumal jedes Dienstmädchen des Hauses im Salon war und so tat, als mache sie Ordnung, während er dasaß und eine veraltete Zeitung überflog. Objektiv betrachtet erkannte Chloe seine Anziehungskraft durchaus. Er war eine eindrucksvolle, athletische Erscheinung, dabei elegant und stets höflich. Seine fein geschnittenen Züge und die von dichten Wimpern umrahmten blauen Augen brachten regelmäßig Frauenherzen zum Schmelzen.
Aber für sie war er einfach nur ihr Bruder Heath, das geheimnisvollste Mitglied der Familie und vermutlich ihr Richter mitsamt Geschworenen in einer Person. Und dort saß er nun, ebenso ruhig und Ehrfurcht gebietend, unbeweglich und undurchschaubar wie die Sphinx von Gizeh.
„Chloe." Er legte seine Zeitung hin und erhob sich aus dem Stuhl, um sie anzublicken, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
Ihr Herz begann, heftig zu schlagen. Wusste er es? Wie viel wusste er? War er wütend? Wie wütend? Seine tiefblauen Augen verrieten nie etwas, es sei denn, er wollte es so. Sein Befehlshaber hatte einmal gesagt, dass man Heath glühende Kohlen auf die Fußsohlen legen konnte, ohne dass sich sein Gesichtsausdruck veränderte. Sie musste daran denken, wie er während seiner kurzen Gefangenschaft von den Franzosen gefoltert worden war.
„Was für eine Überraschung, Heath!"
„Ja. In der letzten Zeit scheinen Überraschungen an der Tagesordnung zu sein, nicht wahr?" Er wandte sich um, warf den zahlreichen Dienstmädchen einen flüchtigen Blick zu und sagte: „Ich weiß Ihren Eifer durchaus zu schätzen, aber würden Sie bitte ein anderes Mal wiederkommen? Ich wäre gerne ein wenig mit Lady Chloe alleine."
Chloe spürte einen kalten Schauer, als sich das Zimmer leerte. Die Mädchen waren zutiefst betrübt, gehorchten aber. „Überraschungen?", wiederholte sie. Auf keinen Fall würde sie sich von ihm aus der Fassung bringen lassen.
„Ich weiß es, Chloe."
„Du weißt ... "
Er bedeutete ihr, sich auf das Sofa zu setzen. Seine Stimme war unbewegt, überhaupt wirkte er so ruhig, dass sie ihn am liebsten mit einer Buchstütze geschlagen hätte. „Erzähl mir, wie es passiert ist."
„Wie was passiert ist?"
Er lächelte schwach. „Hatte ich erwähnt, dass ich gerade von einem sehr angenehmen - und erhellenden, wenn auch kurzen - Treffen mit einem alten Freund von mir komme? Lord Wolverton. Ich glaube, ihr seid miteinander bekannt."
„Ich glaube, er mag Dominic."
Sein Lächeln wurde breiter. „Ja. Tun wir das nicht alle? Unser lieber wiederauferstandener Stratfield. Also, erzähl mir, wie es passiert ist." Er machte es sich wieder auf seinem Sessel bequem. „Setz dich, Chloe. Du wirkst so unbehaglich, wenn du da stehst. Setz dich hin, und erkläre mir die Situation."
Sie stählte sich. „Ich kam aufs Land. Ich habe mich in einen Viscount verliebt und nehme an, dass wir heiraten werden, wenn Grayson mich nicht wieder verbannt oder ihn verscheucht. Was gibt es sonst noch zu wissen?"
„Nun, zunächst einmal ist da die Tatsache, dass er sich in das Zimmer meiner Schwester ein und aus
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