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Viel Laerm um Stratfield

Titel: Viel Laerm um Stratfield Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jillian Hunter
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Dominic fragte sich, warum.
    Traf sein Onkel sich mit irgendjemandem? Oder hegte er den Verdacht, dass er beobachtet würde? War ihm bewusst, dass das Haus, das er als sein Erbe eingefordert hatte, tatsächlich einen sehr umtriebigen Geist beherbergte? Vielleicht plante der Colonel sogar im Stillen seine Flucht. Er hatte in Indien Freunde und wertvolle Besitztümer; jahrelang konnte er dort bequem untertauchen.
    Dominic überlegte, ob es besser war, ihn bei seinen nächtlichen Ausflügen zu verfolgen oder die Gelegenheit zu nutzen, um während seiner Abwesenheit seine privaten Papiere zu durchsuchen. Falls sein Onkel inzwischen ahnte, dass er bei der Durchführung seiner Pläne nicht den erhofften Erfolg gehabt hatte, würde er vielleicht sogar versuchen, Dominic erneut in die Falle zu locken.
    Aber vielleicht hatte Sir Edgar auch angefangen, an Geister zu glauben.
    Der Tag des Picknicks kam. Es war schönes Wetter, aber nicht besonders warm. Chloe zog ein himmelblaues Tageskleid aus Wolle an, dazu einen Paisleyschal mit Fransen und weiche Lederstiefeletten. Ihre Augen unter dem Strohhut mit den Bändern wirkten nachdenklich. Sowohl ihre Ängste als auch ihre närrischen Hoffnungen waren erwacht, sobald sie erkannte, dass das Picknick nicht weit von der verlassenen Mühle stattfinden würde, zu der Dominic ging, wenn er seinem Kerker entfliehen wollte. Natürlich würde er nicht bei einem Picknick in der Öffentlichkeit erscheinen. Sie hatte kaum eine Chance, ihn heute zu sehen.
    Trotzdem hoffte sie auf ein Zeichen von ihm, als sie und ihre Familie unter dem Blätterdach der Eichen und Buchen entlangfuhren. Die Hecken waren voller wilder weißer Rosen. Endlich lagen die Dorfkirche und die mit Stroh gedeckten Häuschen hinter ihnen, und nur das angenehme Geräusch von Vogelgezwitscher wetteiferte noch mit dem Klappern der Kutschen und den angeregten Unterhaltungen. Zum ersten Mal wurde Chloe bewusst, dass sie London immer weniger vermisste, dass ihr eigenes, ungezügeltes Wesen begonnen hatte, in dieser Umgebung unverhoffte Wurzeln zu schlagen.
    „Chloe", rief ihre Tante eindringlich, als sie über eine stabile Brücke zur Mühle fuhren, „halt die Augen offen, ja?"
    Sie wandte sich um. „Aber ... "
    Ihre Tante lächelte sie vielsagend an. Offensichtlich meinte sie, dass Chloe Ausschau nach einem gewissen lästigen Geist halten sollte. Als wäre Chloe nicht ohnehin schon von dem Gedanken besessen, nach dem geringsten Lebenszeichen dieses Unholds zu suchen. Hatte er nicht erwähnt, dass es hier Tunnels gab, dass unterirdische Gänge die Gegend durchzogen und versteckte Höhlen existierten, in denen früher Schmuggler ihre Beute versteckt hatten?
    Vor Aufregung lief ihr ein Schauer den Rücken herunter. Versteckte er sich womöglich in den Tiefen der Erde unter ihr? Was für ein Gedanke, sich auszumalen, dass sie direkt über sein Versteck fuhr! Die Vorstellung, wie er in irgendeinem unterirdischen Labyrinth saß und plante, seinen Feind zur Strecke zu bringen, faszinierte sie. Nein, korrigierte sie sich rasch, auch ihr Feind und der ihrer gesamten Familie -wenn es stimmte, dass Sir Edgar in Brandons Tod verwickelt war. Der Gedanke an Dominic in der Unterwelt beschwor seltsam verführerische Bilder herauf. Von Hades und Persephone und ihrer Liebesaffäre in der Unterwelt. Was für eine beängstigende Idee, dass die Franzosen die verschlafenen Dörfer Großbritanniens aus unterirdischen Höhlen angreifen könnten! Sie war plötzlich froh über die Opfer, die ihre Brüder gebracht hatten, um das Land vor einer Invasion zu schützen.
    Doch an einem milden Tag wie diesem, an dem die Stille der friedlichen Umgebung nur von heiteren Gesprächen und dem entfernten Hämmern eines Spechtes gestört wurde, vermochte Chloe sich beinahe selbst zu überzeugen, dass nichts davon stimmte. Ihr persönliches Dilemma hätte ebenso gut einem Traum entstammen können. Konnte ein Mensch so durch und durch böse sein wie Sir Edgar? Konnte ein Mann sein Land verraten, einen Mord begehen und einfach ruhig weiterleben, als wäre nichts geschehen? In ihrem Herzen kannte sie die Antwort.
    Böses geschah jeden Tag, aber sie war jung und dachte lieber an das Leben als an Tod oder Traurigkeit. Sie hatte beide Eltern und ihren Bruder verloren. Während eines Ausflugs wollte sie nicht an derart beunruhigende Dinge denken.
    Die Besucher des Picknicks, die sich aus dem größten Teil der besseren Gesellschaft von Chistlebury zusammensetzten,

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