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Viel zu lange her

Viel zu lange her

Titel: Viel zu lange her Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Hannay
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feige, die Flucht zu ergreifen, aber sie fand sich einfach nicht mehr zurecht.
    Wenn sie sich nicht völlig bloßstellen wollte, musste sie sic h zurückziehen.
    In der Küche ließ sie sich auf einen Stuhl sinken. „Das schaffe ich nicht!” sagte sie. „Ich verliere bestimmt noch vor dem Wochenende den Verstand.” Sie schlug hart mit der Faust auf die Bank und fühlte kaum den Schmerz, so verletzt war sie bereits.
    Sie atmete mehrmals tief durch. Es gab nur eine Möglichkeit, mit dieser schrecklichen Situation fertig zu werden. Sie musste sich auf einzelne kleine Aufgaben konzentrieren. Daraus bestand schließlich jeder Tag. So konnte es gehen. Sie musste die nächsten vier Tage überstehen.
    Wenn sie sich jeder Tätigkeit voll widmete, war die Woche im Handumdrehen um. Dann hatte sie auch nichts mehr mit Isaac zu tun, weil sie endlich verheiratet war.
    Jetzt fühlte Tessa sich schon etwas besser und machte sich an die erste Arbeit. Sie wollte das Thai-Hühnchen zubereiten, wie sie das mit ihrer Mutter geplant hatte. Zuerst holte sie Rosalinds großen Wok aus dem Schrank und suchte die Zutaten zusammen. In Streifen geschnittenes Hühnerfleisch, spanischen Pfeffer, Mohren, Schnee-Erbsen. Die Flasche mit der süßen Chilisoße stand im Kühlschrank. Ausgezeichnet. Und nun noch etwas frischer Koriander …
    Sie schaltete das Radio ein. Ella Fitzgerald sang „Summertime”. So war es gut. Die Musik beruhigte Tessa. Sie streifte die Schuhe ab, holte ein Schneidebrett und ein Messer aus dem Schrank und begann, die Mohren zu zerkleinern.
    „Brauchst du Hilfe?”
    Tessa drehte sich so schnell um, dass eine Mohre vom Tisch rollte. Isaac stand dicht hinter ihr.
    „Vorsicht.” Er fing die Mohre auf, bevor sie den Fußboden berührte.
    „Was machst du hier?” fauchte sie ihn an.
    „Ich rette gefallene Mohren”, sagte er lächelnd. „Und ich mache mich unbeliebt.”
    „Freut mich, dass du das gemerkt hast. Ich bin in die Küche gegangen, um Frieden zu finden.”
    „Du hast dir viel vorgenommen, Tessa.” Isaac betrachtete das bereitgelegte Gemüse. „Du brauchst Hilfe, sonst arbeitest du stundenlang daran.”
    „Mum wird gleich kommen.”
    „Das bezweifle ich. Sie bespricht am Telefon mit einer Verwandten Pauls die Sitzordnung beim Empfang. Und es hörte sich ziemlich hitzig an.” Er holte sich ein Schneidebrett und ein scharfes Messer. „Lass dir von mir helfen.”
    „Wenn du unbedingt willst”, entgegnete sie gereizt. „Du kannst Zwiebeln schneiden. Sie sind in der Speisekammer.” Geschah ihm recht, wenn ihm die Augen davon tränten! Warum konnte er sie nicht in Ruhe lassen?
    Ella Fitzgerald stimmte ein neues Lied an. Sobald Tessa die ersten Takte von „I’m in the Mood for Love” erkannte, schaltete sie das Radio blitzschnell aus. „In der Stimmung für Liebe”! Isaacs Messer klopfte rhythmisch auf das hölzerne Schneidebrett. Sie drehte sich um. Isaac hackte die Zwiebeln mit der Schnelligkeit und Geschicklichkeit eines Küchenchefs. „Isaac! Wo hast du das bloß gelernt?”
    „Was denn?” fragte er scheinbar ahnungslos.
    „Ich dachte, du hättest Bergbau studiert und nicht Kochen gelernt.”
    Isaac schob die fein gehackten Zwiebeln in eine Schüssel und griff nach dem spanischen Pfeffer. „In den letzten neun Jahren habe ich in mir viele verborgene Talente entdeckt, Tess.”
    Sie wurde von schmerzhafter Eifersucht gepackt - Eifersucht auf all die Jahre in Isaacs Leben, an denen sie nicht teilgenommen hatte. Was hatte er getan? Und mit wem hatte er diese verborgenen Talente erforscht?
    Doch was kümmerte sie das überhaupt?
    „Ich nehme an, du hast auch viel gelernt”, fuhr er fort, warf ihr einen Blick zu und lächelte spöttisch, als er ihren kleinen Haufen gehackter Mohren sah. „Allerdings nicht in der Küche.”
    „Du Ekel!” rief Tessa. „Du tauchst hier auf, wo du nicht erwünscht bist, reißt alles an dich und machst jetzt auch noch abfällige Bemerkungen über meine Fähigkeiten in der Küche! Schade, dass zu deinen neu entdeckten Talenten nicht auch etwas Bescheidenheit gehört.”
    Er duckte sich, als sie die letzte Mohre nach ihm warf.
    Rosalind kam in diesem Moment in die Küche. „Was ist denn hier los?” fragte sie.
    „Ich habe mich unbeliebt gemacht.” Isaac stand lächelnd auf. „Darum lasse ich euch beide allein.” Er holte die Mohre aus der Spüle, in der sie gelandet war, und legte sie vor Tessa auf den Tisch. Bevor er die Küche verließ, zwinkerte er Tessa

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