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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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möchte ich fast sagen. Ich werde sie Ihnen abkaufen. Sagen wir: für alle fünfhundert Peseten?«
    »Herr Professor!« Juan sprang auf. »Sie machen sich lustig über mich …«
    »Nicht so hitzig, Juan. Sie dürfen sich nicht aufregen, das wissen Sie. Der Arzt hat es Ihnen verboten!« Tortosa legte die Blätter auf die steinerne Brüstung und griff in die Brusttasche seiner weißen Leinenjacke. Er nahm eine Brieftasche heraus und zählte vor Juan fünf Hundert-Peso-Noten auf den runden Tisch. »So – nun starren Sie mich und das Geld nicht so an, Juan, sondern stecken Sie es ein und suchen Ihrer guten Mutter etwas Schönes in der Stadt aus …«
    »Fünfhundert Pesos? Aber das ist doch nicht möglich.« Juan ließ die Scheine durch die langen Finger gleiten … sie knisterten leise, und es war Wahrheit, was er fühlte, zum erstenmal in seinem Leben Wahrheit, daß er Geld verdient hatte mit seinen Händen und mit seinen Augen, die die Natur sahen und sie zu deuten vermochten.
    Ramirez Tortosa nahm ihm die Scheine aus der Hand und stopfte sie in Juans Rocktasche. Dann schenkte er ihm und sich aus einem Siphon sprudelnden Orangensaft ein und wehrte alle Fragen und alle anderen Gedanken durch die Feststellung ab, daß man vielleicht noch in dieser Woche nach Madrid aufbrechen würde. Er habe vorhin mit Dr. Osura und mit Fredo Campillo telefoniert … Dr. Osura würde morgen gegen Mittag in Toledo sein, und man könnte schon am Nachmittag abfahren, um gegen Abend in Madrid anzukommen, wo Campillo alles vorbereitet hätte. Übermorgen sei dann die Untersuchung, die – so betonte Tortosa noch einmal – von der Regierung vorgeschrieben sei für jeden Künstler, der in Madrid studieren wolle. Damit verscheuchte er in Juan einen gar nicht vorhandenen Gedanken, man könne ihn nur nach Madrid bringen, weil er krank sei, denn Juan freute sich zu sehr auf das Erlebnis der Stadt und auf die Erfüllung seines großen Wunsches, solange er denken konnte, um etwas anderes zu empfinden als tiefe Freude und die Ungeduld, die zwei Tage möchten recht bald vorübergehen.
    Heute nun lag er auf dem Sofa und las in Tortosas Buch. Er wartete. Auf Tortosa, auf Dr. Osura, auf das knirschende Bremsen der beiden Wagen, die ihn hinaustragen würden in die große Welt … in eine Welt, noch schöner und größer als das herrliche Toledo.
    Die Koffer standen schon gepackt unten im Flur des Hauses. Maria Sabinar saß mit verweinten und roten Augen in ihrem Salon und haderte ernsthaft mit ihrem Schicksal. Daß Juan Torrico sie verließ, empfand sie als einen neuen Streich des für sie schweren Lebens, denn nie hatte sie einen Zimmerherrn gehabt, der aus so guten, vornehmen Kreisen kam, den ein Arzt besuchte und sogar der Direktor der Akademie! Sie war so stolz gewesen. Man hatte sie in den Geschäften und auf der Rua de los Lezuza besser und tiefer als sonst gegrüßt, denn es sprach sich schnell herum, wenn man dafür sorgte, welch ein vornehmer Herr bei der Witwe Sabinar logierte. Die Händler feilschten nicht mehr um ein paar Centimos – sie waren geehrt, daß man das Gemüse und das Obst für den feinen Herren bei ihnen kaufte, und baten, sie zu empfehlen. Und nun war alles vorbei … nun würde vielleicht wieder solch ein Mann das Zimmer mieten wie der widerliche Rumäne Papuscu, der zwar auch Malerei studierte, aber sich gern mit den Dirnen in der Stadt abgab und außerdem die Angewohnheit hatte, nach einem ausgiebigen Trunk das Bett mit Auswurf zu beschmutzen. Wenn Frau Sabinar aber an den Franzosen Jules Caravonne dachte … Madre de Dios … das war ein wilder Bursche, der keinerlei Hemmungen kannte und keine Achtung vor der Frau, und der selbst einmal bis in das Schlafzimmer Frau Sabinars eindrang und von ihr Undenkbares verlangte, bis sie ihn mit lautem Schreien aus dem Zimmer jagte. Nein, so einen ruhigen, guten, vornehmen Zimmerherrn wie Señor Torrico würde sie nie wieder bekommen … und deshalb saß Frau Sabinar weinend in ihrem Salon und kam nicht darüber hinweg, warum gerade das Schicksal sie für seine Launen erwählt hatte.
    Es war noch früh – die Kathedrale schlug halb zehn Uhr vormittags. Dr. Osura konnte noch nicht gekommen sein, denn der Weg von Mestanza bis Toledo will zurückgelegt sein, und ein alter Ford in den rauhen Bergen Kastiliens hat es schwer, sich emporzuwinden durch die schluchtartigen Straßen. Und diese Galgenfrist von wenigen Stunden, diese Stunden vor dem Abschied, benutzte Frau Sabinar in den

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