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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zwischenräumen ihrer Tränenströme, Juan zu verwöhnen, ihm einen Obstsalat mit bester Sahne zu richten und einen starken Kaffee zu kochen, wie sie ihn sonst nur an hohen Festtagen und merkwürdigerweise auch am Todestag ihres Mannes trank, und überhaupt ersann sie immer Neues, um Juan etwas Freude zu machen und vor allem ihr Bedauern mit weiten Armbewegungen und dramatischen Händeklatschen zu beteuern.
    Um zehn Uhr war Juan vor Ungeduld fast krank und erhob sich, um im Zimmer hin und her zu gehen und dann am Fenster stehenzubleiben und hinaus auf den Fluß zu blicken. Es wird für lange Zeit der letzte Blick über den Tajo sein, dachte er. Übermorgen sehe ich auf den Rio Manzanares und gehe durch die breiten Straßen, sehe das Königsschloß Escorial und die Soldaten, wie sie über die Straßen marschieren, vorweg die Kapelle. Und er beugte sich aus dem Fenster und winkte einem Boot zu, das mit dem Strom hinabglitt und in dem zwei Mädchen saßen, schön und jung, in knappen Badeanzügen, wie sie Juan noch nie gesehen hatte. Und wieder schlich sich eine wilde Ahnung durch sein Blut, und er mußte wieder an Jacquina denken, die ihn so glutvoll geküßt hatte, daß er willenlos wurde, und die doch nur eine Dirne war, wie Tortosa sagte, ein Mädchen, das jeden Mann so küßte, wenn sie ihm oder er ihr gefiel. Er konnte es nicht glauben, aber es mußte so sein, denn Jacquina hatte sich seit seinem Anfall nicht wieder gemeldet, und Tortosa hatte sie bestimmt entlassen, und nun glaubte sie, daß er daran die Schuld trage. Ja, so mußte es sein, und es schmerzte Juan, daß er Jacquina nicht mehr vor seiner Abreise sehen sollte, denn er wußte ja nicht, wo sie wohnte, und wagte nicht, Tortosa danach zu fragen.
    Er stand am Fenster und nahm noch einmal den Blick auf Toledo in sich auf. Frau Sabinar störte ihn wieder – sie war ganz aufgeregt, denn unten vor dem Haus hatten zwei Autos gehalten, und es waren nicht die von Dr. Osura und Prof. Tortosa, sondern zwei Wagen, die Frau Sabinar unbekannt waren.
    »Erwarten Sie noch anderen Besuch?« stotterte sie und fingerte an ihrer Kleidung herum, die schwarz, mit einer Spitzenmantilla, ungeheuer festlich und voll Trauer aussah. »Kommen Ihre Eltern etwa, Señor Torrico?«
    »Ich habe nur noch eine Mutter, Señora – und die kann nicht kommen.« Juan lächelte über die Erregung, die Frau Sabinar ergriffen hatte, aber als es unten an der Haustür läutete, wurde auch er von einer großen Erwartung ergriffen und sah der hinuntereilenden Wirtin nach. Er hörte Stimmen, die ihm bekannt waren, ohne daß er zu sagen wußte, wo er sie gehört hatte. Doch dann sah der drei Herren die Treppe heraufkommen, und Frau Sabinars Gesicht glänzte über das Glück, das ihrem Hause widerfuhr. Der Chefarzt der städtischen Klinik, der Oberarzt und ein anderer älterer Arzt, in dem Juan den Helfer in der Taberna Bonillo erkannte, traten in das Zimmer und begrüßten den erstaunten Juan herzlich und laut.
    »Wir wollten Sie noch einmal sehen, Herr Torrico«, sagte der Professor und drückte ihm die Hand, »bevor Sie nach Madrid ziehen.« Er zwinkerte mit den Augen.
    »Sie waren eine Zeitlang unser Sorgenkind … und die wachsen uns Ärzten ans Herz.«
    »Und Sie fühlen sich wohl?« fragte der Oberarzt leichthin. Es klang wie eine konventionelle Frage.
    Juan nickte freudig. »Wie ein Fisch im Wasser, Herr Doktor. Ich kann es gar nicht verstehen, wie das damals geschehen konnte. Ich glaube, ich bin jetzt gesund.«
    »Wir wollen es auch hoffen.« Der Chefarzt sah ihn scharf an … oder machte es nur die geschliffene Brille, daß seine Augen so glitzerten. »Und Sie haben bisher nichts wieder gemerkt? Gar nichts?«
    »Nein.«
    »Kein Druck in der Brust?«
    »Nein. Das heißt ja. Wenn ich an zu Hause denke.«
    Der Oberarzt winkte lachend ab. »Gegen Heimweh gibt es überhaupt keine Medizin. Es sei denn, man rede mit Balzac und sage: Man nehme eine Frau …«
    »Ein zu teures Rezept für unseren jungen Freund!« lachte der Professor, und Frau Sabinar, die in der Tür stand, wurde rot und schlug die Mantilla dichter über ihrer Brust zusammen, als habe man mit Balzacs Bonmot sie persönlich gemeint. Doch dann wurde er wieder ernst und schaute Juan musternd an. »Wie steht es mit dem Schlaf?«
    »Ich schlafe tief und fest.«
    »Und Sie haben nicht ab und zu Atemnot?«
    »Nein. – Aber warum fragen Sie? Ich denke, ich bin gesund?« Juan sah den Professor groß an. »Ist das denn nicht wahr?«
    Der

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