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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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normaler Lampen fiel dumpf und trübe auf den langen Tisch, auf dem in zwei Reihen hintereinander die kleinen Drahtkörbe mit den Ratten standen. Ein Krankenwärter, der die Tiere zu versorgen hatte, hockte in der Ecke und drückte einen schmächtigen Affenkörper nieder, der sich aufbäumend in einem offenen Stall auf dem Stroh wälzte.
    »Er phantasiert«, sagte der Wärter leise. In seiner Stimme lagen Mitleid und eine Anklage gegen die Ärzte, die seine kleinen Lieblinge mißhandelten. »Das ganze rechte Bein ist geschwollen.«
    »Sehr gut«, sagte Moratalla und kam näher.
    »Sehr gut nennen Sie das? Diese Schmerzen, Herr Professor! Und dieses Fieber!« Der Krankenwärter schwitzte trotz der Kälte des Kellers, denn der kleine Affe hatte im Delirium ungeahnte Kräfte. »Was der Kleine durchmacht, gönne ich meinem schlimmsten Feind nicht …«
    Prof. Moratalla beugte sich über den Käfig und tastete das Bein ab. »Es wird bald vorüber sein«, sagte er langsam. »Ich habe die Knochenhaut mit dem Sekret eines Sarkoms geimpft. Es entstand ein neues, schlimmeres Sarkom. Früher half hier nur die sofortige Amputation … ich will es anders versuchen …«
    »Eine Knochenumpflanzung bei einem Sarkom?« fragte Dr. Tolax kritisch.
    »Ich weiß es noch nicht.« Moratalla zog seinen blutbespritzten Mantel an und sah zu dem Affen hinüber. »Ich will erst sehen, wie das Sarkom aussieht. Doktor Albanez, narkotisieren Sie bitte unseren kleinen Patienten.«
    Und umgeben von Ratten und piepsenden Mäusen, knabbernden Meerschweinchen und kreischenden Affen klirrten die Instrumente, die Dr. Albanez anreichte … Skalpell, Wundklammern, Aderklemme, Scheren, Pinzetten mit Tupfer, Schüsseln und sterile Büchsen … wie oben in dem großen Operationssaal, mit der gleichen Gewissenhaftigkeit und der erstaunlichen Sicherheit, die in Moratallas Händen lag.
    Und die Zeit verrann, denn niemand blickte auf die Uhr.
    Das immer neue Wunder einer Operation nahm sie alle gefangen. Der Röhrenknochen des Unterschenkels lag frei.
    Prof. Moratalla griff nach hinten.
    Leise surrte die elektrische Säge in seiner Hand …
    Juan lag auf dem Sofa oben in seinem Zimmer bei Frau Sabinar und las in einem Buch, das ihm Ramirez Tortosa bei seinem abendlichen Besuch gegeben hatte. Es war ein Kunstführer durch die An tike, und Juan betrachtete die vielen Abbildungen mit den heißen Augen eines Sehnsüchtigen, der sich Kraft holen will, gleiches zu leisten.
    Es war eigentlich alles ganz anders gekommen, als er es sich gedacht hatte. Tortosa hatte ihn sofort in seiner kleinen, weißen Villa am Tajoufer empfangen, und dann saßen sie hinten im Garten auf der Terrasse und lauschten auf das Rauschen des Flusses, der unter ihren Füßen dunkel zu den erleuchteten Brücken glitt. Die Stadt stieg an dem Granithang empor wie eine Lichterkette – es war ein schönes Bild, kraftvoll und erstarrt im jahrhundertealten Adel einer Schönheit, an der Völker bauten, deren Namen nur noch Geschichte sind. Das dunkle Blau der Nacht wurde in der Ferne schwarz … dort begann das rauhe Hochland Castilla, die freudlose Landschaft Spaniens, die Äcker und Wiesen, die nie ein Lachen hören, weil es im Schweiß der Arbeit ertrinkt.
    Ramirez Tortosa hatte die Zeichnungen Juans an sich genommen und lange betrachtet. Er setzte sich unter eine der hohen Bronzelampen, die auf der Terrasse standen und ein mildes Licht über die weißen Steinplatten des Bodens warfen.
    »Sie wollen diese Blätter verkaufen, Juan?« fragte Tortosa endlich.
    »Ja. Wenn sie nicht zu schlecht sind. Ich wollte sie Ihnen zeigen, darum bin ich gekommen.« Juan hatte die Hände zwischen den Knien und war sehr unsicher. Er sah zu Tortosa hinüber und wagte kaum zu atmen. »Ich wollte der Mutter ein Kleid kaufen und ein Paar neue, schöne Schuhe. Darum will ich die Bilder irgendwo verkaufen. Vielleicht für dreißig Pesos das Stück.«
    »Ich würde sie nicht verkaufen, Juan …«
    »Sind sie so schlecht?« Enttäuschung lag in Juans Stimme, aber er beugte sich dem Urteil seines Lehrers und stand auf, die Blätter wieder an sich zu nehmen. Er streckte die Hand aus, aber Tortosa zog ihm die Zeichnungen weg.
    »Wohin denn damit?« fragte er erstaunt.
    »Ich will sie zerreißen und in den Tajo werfen. Ich werde nie ein Künstler«, sagte Juan leise.
    »Sie dummer Junge!« Tortosa erhob sich und drückte Juan in einen Korbsessel zurück. »Diese Zeichnungen sind ungeheuer eigenwillig … neu in der Linie,

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