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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ist der Blutkreislauf, der dich leben läßt. Dort aber, siehst du, rund um das Herz herum, da liegen die Herzkranzarterien. Es sind sehr feine und sehr zarte Adern, die empfindlich sind und immer nach den Nerven horchen, ob sie still oder erregt sind. Geht nun durch deinen Körper eine große Erregung, dann ziehen sie sich zusammen und lassen das Blut nur ein wenig durchrinnen, und das Herz pumpt sich leer und weiß nicht, was es tun soll, und setzt aus, weil es kein Blut mehr hat. Dann fällst du um und bekommst keine Luft, weil ja auch die Lunge auf das Blut aus der großen Arterie wartet. Und darum, Juan, muß ich dich fragen, was du hast, denn du darfst dich nie mehr aufregen …«
    Juan starrte auf das bunte Bild des Herzens und auf die Adern, die sein Leben bestimmten. Er sah Dr. Osura ungläubig an und zeigte auf die dunklen Striche und Linien … auf Aorta, Venen und Arterien, Herzklappe, Vorhof, Herzbeutel und Herzohr.
    »Und das ist alles?« frage er leise. »Das ist also das große Geheimnis des Lebens?«
    Dr. Osura nickte. »Ist es nicht ein Wunder, daß du lebst durch die fünf Liter Blut, die dieses Herz durch die vielen Adern pumpt?«
    »Und nur, weil es durch diese Adern läuft, kann man lieben?«
    Der Kopf des Arztes zuckte empor. Er ergriff Juans Oberkörper und riß ihn herum.
    »Ist es das, mein Junge? Bist du verliebt?«
    »Ja, Dr. Osura.«
    »Und wer ist es?«
    »Concha Granja …«
    Dr. Osura pfiff durch die Zähne und fuhr sich mit beiden Händen durch die weißen Haare. Diese Gebärde war wie ein Ausdruck seiner Verzweiflung. Concha, dachte er, Concha und Juan Torrico! Wie gemein doch das Leben manchmal sein kann.
    »Liebt sie dich denn auch?« fragte er, nur, um etwas zu sagen.
    »Ich habe ein Bild von ihr gemacht«, sagte Juan ein wenig trotzig.
    Der Arzt sah Juan erstaunt an. »Du hast Concha gezeichnet?«
    »Gemalt, Doktor Osura. Pedro brachte mir aus der Stadt schöne Wasserfarben mit. Mit ihnen habe ich das Gesicht Conchas gemalt. Es ist ein schönes Bild geworden.«
    Dr. Osura rollte die Karte mit dem Herzen wieder zusammen und gewann dadurch Zeit, nachzudenken. Dieser junge Mensch an der Grenze zwischen Kind und Mann ist innerlich gehemmt, dachte er. Er spürt die Enge seiner Umwelt, und das bedrückt ihn. Er leidet darunter, es greift an sein Herz und äußert sich in einer krampfartigen Herzkranzarterienverengung und einer leichten Kreislaufstörung. Er ist sensibel, übersensibel vielleicht, aber es ist nicht gefährlich, nicht organisch, und das beruhigt mich.
    »Du mußt mir das Bild einmal zeigen«, sagte Dr. Osura und schloß die Schranktür hinter der Rolle. »Du hast doch noch mehr gezeichnet, nicht wahr? Man spricht doch darüber, daß du auch schön in Stein hauen sollst?«
    Juan nickte. »Ja. Ich tue es lieber als malen. Es ist wunderbar, wenn aus dem toten, harten Stein ein Gesicht oder eine Figur entsteht.«
    »Du mußt mir diese Sachen einmal bringen, Juan.« Dr. Osura schrieb ein Rezept aus, ein einfaches Kräftigungsmittel und kleine weiße Pillen, die er nehmen sollte, wenn sich wieder Krämpfe einstellen sollten. »Vielleicht kann ich dir helfen!«
    Juan erhob sich mit einem Ruck. Hoffnung glomm in seinen Augen auf. »Sie können mir helfen, Doktor Osura?«
    »Vielleicht.«
    »Aber die Sachen sind zu schwer, um sie Ihnen zu bringen.«
    »Dann fahren wir eben mit meinem Wagen hin.«
    »Zu der Höhle?« Dr. Osura war klug genug, nicht zu fragen, wieso es eine Höhle war. Er nickte nur.
    »Ja.«
    »Die Höhle kennt keiner«, sagte Juan leise.
    »Und ich darf sie auch nicht sehen?«
    »Wenn Sie mir versprechen, nichts zu verraten …«
    Dr. Osura reichte Juan die Hand hin. »Ich verspreche es dir, Juan.«
    Sie gaben sich die Hände, und es war ein stillschweigendes Verständnis zwischen ihnen, das Juan froh und mutig machte und voll Hoffnung auf die Zukunft.
    Draußen, auf der Straße, half der von einem Druck erlöste Pedro seinem Bruder auf den Bock des Wagens und schwang sich selbst dann hinauf. »Es ist also nichts Schlimmes?« fragte er, und als Juan den Kopf schüttelte, pfiff Pedro in die Luft.
    Der Regen hatte aufgehört, die Sonne brannte wieder über den Bergen und den Rio Montoro, aber ihre Kraft war gebrochen … die Felder waren naß, die Erde hatte sich vollgesaugt, und die Früchte dehnten sich in der Wärme und wurden reif und rund.
    Das Pferd der Torricos dampfte. Es schlug einen leichten Trab an und hielt nur vor der Apotheke, wo Pedro das Rezept

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