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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Ist wohl dein neuester Streich, was? Steine klopfen aus Langeweile! Und dann die Kunsthändler wahnsinnig machen, was? Und jetzt mich? Ne, mein Junge, das ist nichts! Da hast du kein Glück! Wenn du Bildhauer spielst, werde ich morgen meinen Museumsdienern den Blinddarm herausnehmen!«
    Dr. Osura belachte den Vergleich gebührend, denn es kam ihm darauf an, Campillo bei guter Laune zu halten.
    »Nicht ich will Steine behauen, sondern ich kenne hier einen begabten jungen Mann, der es verdient, gefördert zu werden.«
    »Schon faul!« Campillo brannte sich eine Zigarre an und blies den Rauch in die Hörmuschel. »Riechst du's?« fragte er. »Unsere alte Marke aus Habana. Ach so, der Junge. Also Osura, wenn der Bursche etwas kann, setzt er sich allein durch. Kann er nichts, braucht er Protektion. Aber da bin ich nicht der richtige Mann! Ich suche – wenn ich schon suchen soll – die wahren Talente, die Künstler, die in der Stille reifen.«
    »Um das, was du sagtest, auch wahrzumachen, müßtest du erst in die Stille kommen!« knurrte Dr. Osura. »In Madrid wirst du keine Naturtalente finden, sondern nur die Jünger einer mehr oder weniger spleenigen Boheme! Nein, Fredo – hier, in der Santa Madrona, in Solana del Pino, dem Nest, das keiner kennt, lebt ein Junge, neunzehn Jahre alt, der nach meinem Ermessen nur eine Plattform braucht, um einer der großen Zukünftigen zu werden.« Er stockte und wußte nicht, ob er es sagen durfte. »Weißt du«, meinte er langsam, »als Arzt hat man da einen anderen Blick. Der Junge verbirgt in seinen Augen etwas, das nur erweckt zu werden braucht.«
    Campillo gähnte. Dr. Osura hörte es und ärgerte sich. »Und warum sagst du mir das alles?« fragte der Museumsdirektor.
    »Damit du einmal deinen massigen Körper nach Solana del Pino bewegst!« Dr. Osura trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Fredo, ich sage dir – es lohnt sich. Ich will dir Geizhals sogar das Fahrgeld ersetzen. Nur komm, Fredo, ich bitte dich darum bei unserer Freundschaft …«
    Fredo Campillo überlegte etwas. Er schaute auf seinen Kalender, der groß und mit vielen Bemerkungen und Terminen auf dem Schreibtisch lag.
    »Wenn es überhaupt geht, dann ist es Freitag in acht Tagen.«
    »Sehr gut, Fredo!« rief Dr. Osura erleichtert. Freude schwang in seiner Stimme mit.
    »Aber gnade dir Gott, wenn ich umsonst gekommen bin!«
    Dr. Osura lachte. Etwas von der Freude, ein gutes Werk getan zu haben, machte ihn übermütig und wieder jung.
    »Wenn es umsonst war, Fredo«, rief er lustig, »dann können wir das in alter Weise austragen. Duell mit Tarragona, bis einer unter den Tisch rollt …«
    Er legte den Hörer auf und strich sich über die Augen.
    Würde es Juan schaffen? War er ein ungewecktes Genie, einer jener Künstler, die ein Land in seiner Geschichte nur einmal oder zweimal hervorbringt? Würde Juan Torrico der Kritik des skeptischen Campillo standhalten? War es der richtige Weg, den er vorbereitet hatte, den armen Bauernjungen aus dem Dunkel emporzureißen?
    Dr. Osura zog den weißen Arztmantel aus und wusch sich die Hände. Es wird sich alles finden, beruhigte er sich. Wenn ich die geheimen Werke des Jungen sehe, werde ich meinen Irrtum eingestehen oder einen Sieg über das Schicksal.
    Dann nahm er seine Liste der Hausbesuche vor und strich die Namen an, die dringend waren.
    Pablo Gevera – Beinbruch.
    Marguerita Jijona – Blutvergiftung.
    Ricco Bacairente – Unfall und Blutergüsse …
    Das Leben ging weiter, und der Tag war noch lang. In Mestanza und Hinojosas warteten die Kranken.
    Lustig kamen Pedro und Juan Torrico mit ihrem Wagen zu Hause an, und sie sahen voll Erstaunen, daß das Haus abgeschlossen war und still, einfach verlassen. Das Vieh war auf den Weiden, die Hüh ner liefen im Drahtstall gackernd und hungrig herum, und so sehr sie auch riefen, von Anita und Elvira war nichts zu sehen.
    »Sie sind sicherlich auf den Feldern!« schimpfte Pedro, und sein Gesicht verlor die Fröhlichkeit und wurde wieder hart und zerfurcht. »Und ich habe ihnen gesagt, daß ich früh genug zurückkomme! Die Mutter auf dem Feld … ich werde mit Elvira schimpfen …«
    Er sprang vom Bock und schirrte das Pferd ab. »Paß auf den Gaul auf«, rief er Juan zu, der sich unschlüssig, was nun geschehen sollte, an den Karren lehnte. »Ich gehe auf die Felder!«
    Juan schaute dem großen Bruder nach, wie er mit langen, ausgreifenden Schritten hinter den Hügeln verschwand. Wie sehr er sich wandeln kann,

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