Viele Mütter heißen Anita
blätterte er die Zeichnungen durch. Es war eigentlich immer das gleiche Motiv … die Sierra Morena, die Santa Madrona, der Rio Montoro, Solana del Pino, die Kühe, Vögel, Felsen, Felder und Gärten, die Zigeuner, die Bauern, die Wege und die primitiven Häuser. Aber immer waren sie anders, immer aus einer anderen Schau, immer neu trotz ihrer Wiederkehr … es war die Hand eines kommenden Großen, die sich nur im Strich geübt zu haben schien und nie zum wirklichen Ernst des Könnens bereit gewesen war. Erschrocken aber war Campillo, als er das letzte Blatt vor sich sah – das Portrait Concha Granjas.
Fredo Campillo brauchte nicht mehr nachzudenken – er griff nach seinem Telefon und rief Puertollano an. Mit einem zweiten Apparat rief er seine Abteilungsleiter und die Herren der staatlichen spanischen Kunstakademie an und bat sie, sofort zu ihm zu kommen. »Ich habe etwas vor mir liegen«, sagte er erregt, »was Sie und ich noch nie gesehen haben …« Dann war Puertollano da, und Campillo schrie in den Apparat:
»Emilio? Ja? Ich habe die Mappe! Ich habe sie eben durchgesehen.«
»Und sie gefällt dir?« fragte Dr. Osura. Er hielt den Atem an. Jetzt kommt es, fühlte er.
»Darüber reden wir besser unter vier Augen. Ich komme schon Anfang nächster Woche zu dir.«
Er hängte ein. Aber Dr. Osura wußte genug. Glücklich legte er den Hörer zurück …
In dieser Woche, in der Juan krank zu Bett lag, war Concha drei mal bei den Herden an der Weide und wartete an der Pinie, unter der Juan immer zu träumen pflegte. Aber er kam nicht – sie sah nur Pedro von weitem, und sie versteckte sich hinter den Hügeln. Einmal war es Elvira, die mit der Herde kam, und dann wieder Pedro. Da wunderte sie sich sehr und schlich zur Höhle, aber der Eingang war verschlossen. Ob er verreist ist, dachte sie. Oder ob er krank ge worden ist? Pedro oder Elvira zu fragen wagte sie nicht. Es war auch nicht schicklich für eine junge Dame, nach einem Manne zu fragen. Auch wenn man ihn liebte – die Sittengesetze dieses Landes waren streng.
Der Knecht, der den großen Karren Obst geholt hatte, wußte von nichts, als Concha ihn heimlich fragte. Er hatte Pedro, Elvira und Anita gesehen, sie sah aus Juans Fenster. Aber Juan selbst? Nein! Vielleicht war er doch verreist? Aber wohin und warum? Und er hatte ihr keine Nachricht gegeben?
Sie verstand Juan nicht mehr.
Am sechsten Tag der Ungewißheit ging Concha zu dem Hof der Torricos. Sie hatte sich etwas ausgedacht, um einen Grund zu haben. Der Vater brauchte ein schönes Schild für die Tür seines Ladens, und sie wollte fragen, ob Juan nicht ein solches malen könnte. Obgleich sie wußte, daß er es ablehnen würde, freute sie sich, einen so guten Gedanken gehabt zu haben.
Als sie durch die Gärten dem Hause entgegenkam, sah sie Juan auf der Bank in der Sonne sitzen.
Da lief sie das letzte Stück, als könne sie die wenigen Schritte nicht mehr warten, seine Stimme zu hören.
»Juan!« rief sie laut, indem sie lief.
Juan zuckte auf und stand schwankend vor seiner Bank. Anita, die ihn vom Küchenfenster aus sehen konnte, glaubte an einen neuen Anfall und stürzte aus der Küche, die Hände noch naß vom Waschen, denn sie wusch gerade die Hemden ihrer Söhne. Dann aber sah sie, wie Concha auf Juan zukam und wie Juan ihr entgegenging, unsicher, tastend. Vor Concha blieb er stehen und erfaßte ihre Hände.
»Du«, sagte er. Nur du, aber in diesem Wort lag die Welt, die er erträumte.
Anita stand in der Tür und wischte sich die Hände an der Schürze ab. Ihre Augen waren trüb, ein unbekanntes Gefühl durchzog ihre Brust. So sieht er nie aus, wenn ich ihm etwas Liebes sage, dachte sie. Ich muß mit dem Mädchen sprechen – es ist nicht gut, wenn sich ein armer Bauer in eine Reiche vergafft. Es wird ein Unglück geben … Santa Maria, laß es nicht zu …
Sie ging in die Küche zurück und ließ Juan und Concha allein.
Concha faßte Juan unter den Arm und führte ihn zur Bank zurück. Durch das angelehnte Fenster verstand Anita jedes der Worte, das sie sprachen, und sie gab sich Mühe, leise zu waschen, um alles zu verstehen, denn es geht eine Mutter immer an, was ihr kranker Sohn spricht zu einer Frau, die seine Krankheit nicht heilen, sondern verschlimmern würde.
»Du bist krank?« fragte sie besorgt.
»Wenn du bei mir bist, nicht mehr, Concha.«
»Ich war dreimal unten bei der Weide, Juan. Ich habe gewartet. Und ich war bei deiner Höhle. Aber du kamst nicht. Da bin ich zu
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