Viele Mütter heißen Anita
dir gekommen. Ich hatte solche Angst um dich.«
Anita legte die Wäsche in den Trog zurück. Sie schüttelte den Kopf. Deine Höhle, grübelte sie. Was hat Juan für eine Höhle? Und an der Weide treffen sie sich … und er hat mir nichts gesagt. Er hat seiner Mutter nichts gesagt, der ungeratene Sohn! Er hat mich sogar belogen. Juan lügt! Anita beugte sich vor, um die Worte deutlicher hören zu können. In ihrem Herzen stach es vor mütterlicher Enttäuschung, denn es ist nicht leicht, ein Kind zu haben, das lügt …
Juan hatte die Hände Conchas wieder ergriffen und hielt sie fest umklammert, während er sprach.
»Es war wieder das Herz«, sagte er und versuchte ein Lächeln, das Conchas Sorgen um ihn vertreiben sollte. »Nicht schlimm, Conchita. Ich habe so viel an dich gedacht und habe gewartet, daß du einmal kommst. Nun bist du da, und ich weiß, daß ich wieder gesund bin.«
»Das ist schön, Juan.« Sie küßte sein Ohrläppchen. Anita sah und hörte es nicht, aber diese kurze Stille sagte ihr, was vor dem Fenster geschah. Sie dachte plötzlich an ihre Jugend und an die Zeit, in der sie als junges, hübsches Mädchen so verliebt mit Juans Vater tat. Es war auch ein Sommer, und der starke Bauer Torrico brachte einen Stier. Er riß ihn an den Hörnern zu Boden, als er ausbrechen wollte, und lachte dabei. Damals verliebte sie sich in ihn, und sie küßten sich oft in den Olivenhainen. Wie lange war das her … über dreißig Jahre.
»Hast du Doktor Osura kommen lassen?« fragte Concha.
»Nein.« Juans Stimme war zögernd. »Es kostet Geld. Wir müssen sparen.«
»Aber Juan! Ich werde dir das Geld geben!«
»Das will ich nicht!« Juans Stimme wurde hart, und Anita freute sich über den Stolz ihres Sohnes. Die Torricos nehmen nichts geschenkt, das hatte schon sein Vater gesagt. Und wenn sie sich den Rücken krumm arbeiten – sie bezahlen es! »Ich will das nicht, Concha. Ich kann es dir vielleicht nie zurückgeben.«
»Aber Juan!« Concha streichelte seine Hände. »Wir bleiben doch zusammen. Was mir gehört, gehört auch dir …«
Dann schwiegen Sie wieder und sahen sich an. Ihre Liebe war wortlos, in ihren Augen lag die Welt, in der sie glücklich waren, die große, unendliche Welt ihrer Sehnsucht.
»Doktor Osura hat mir versprochen, mir zu helfen«, sagte Juan endlich. »Er hat meine Zeichnungen mitgenommen, auch das Bild, das ich von dir gemalt habe. Er will mir helfen. Er hat einen Freund in Madrid.«
Anita wischte sich über die Stirn. Auch Dr. Osura, dachte sie unglücklich. Auch er will mir den Sohn nehmen, den armen, kranken Sohn. Er weiß mehr als ich, er kennt die Bilder Juans, die ich nicht kenne. Sie treffen sich, irgendwo, weit weg von meinen Augen. Nach Madrid … soll Juan nach Madrid? Und keiner fragt mich, keiner sagt mir etwas … Mein Gott, habe ich das verdient in meinem schweren Leben voller Arbeit und Sorge? Haben sie denn Angst vor mir, haben sie Angst, ich könnte es ihnen verbieten, oder bin ich schon zu alt, um das Leben nicht mehr zu verstehen?
»Das wäre wunderbar, Juan, wenn Doktor Osura dir helfen würde«, sagte Concha. »Denk einmal, wenn du nach Madrid kommst, in die große Stadt am Manzanares. Dann steht dir die Welt offen, Juan.« Und leiser fügte sie hinzu: »Aber die kleine Concha aus Solana wirst du vergessen, wenn du ein großer Mann geworden bist.«
»Ich werde dich nie vergessen, Concha.« Er küßte sie auf die schwarzen Augen. »Ich werde arbeiten, um dich zu gewinnen.«
»Aber ich gehöre doch zu dir, Juan.«
»Heimlich. Doch vor allen Menschen will ich dich als mein zeigen. Vor deinem Vater, deiner Mutter und auch vor meinem Bruder und meiner Mutter. Sie alle werden dagegen sein, aber wenn ich einmal aus dieser Hütte hier heraus bin und die Welt gesehen habe, wenn Doktor Osura mir die Tür öffnet, die ins wirkliche, ins gelebte Leben führt, dann gibt es kein Nein mehr auf dieser Welt, das uns trennen könnte.«
Sie standen von der Bank auf und gingen ein Stück vom Haus fort in Richtung auf die Ställe. Anita sah es von ihrem Waschfaß aus und schlurfte an das Fenster, das sie leise schloß. Juan sollte nicht sehen, daß es vorhin offen gewesen war und sie alles mitgehört hatte, aber sie beschloß in diesen Minuten, mit allen zu sprechen, die in das Leben Juans eingegriffen hatten. Mit Concha, mit Dr. Osura, mit Ricardo Granja und mit dem unbekannten Freund Dr. Osuras in Madrid, der ihr Juan entführen sollte. Ja, das wollte sie tun.
Und sie
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