Viele Mütter heißen Anita
Peseten rechnen und ihn auf die Seite legen, um die sich abnutzenden Geräte zu erneuern und dem Schmied in Solana del Pino eine neue Pflugschneide zu bezahlen.
In diesen Tagen aß und schlief Anita nur bei ihrem Sohn. Sie bettete ihn um, sie wusch ihn, sie gab ihm die Medizin und erzählte aus ihrer Jugendzeit, um ihn aufzuheitern. Nach ihren Erzählungen mußte sie in der Jugend viel Lustiges erlebt haben, und wo es dünner wurde, dichtete sie einiges hinzu, und keiner nahm es ihr übel, denn Juan hörte gerne zu und lächelte, wenn die Mutter lachte.
An einem Abend in dieser Woche sagte sie beiläufig: »Ein Knecht von Ricardo Granja war da und hat den Karren mit Obst geholt.«
Juan wandte schnell den Kopf zur Mutter. In seinen Augen lag großes Erstaunen.
»Ein Knecht? Nicht Concha?«
»Nein. Der Karren war schwer.«
»Und habt ihr gesagt, daß ich krank bin?«
»Nein. Das braucht doch Granja nicht zu wissen.«
»Das stimmt.« Juan starrte an die Decke. Aber vielleicht würde Concha kommen, wenn sie wüßte, ich bin krank, dachte er. Sie hat mir doch versprochen, immer bei mir zu sein, wenn ich sie brauche. Sie würde dann neben mir sitzen, so wie jetzt die Mutter, und sie würde meine Hand halten, damit ich ganz ruhig werde und mein krankes Herz glücklich.
Als es Juan nach vier Tagen besser ging, saß er im Bett, durch Kissen im Rücken gestützt, und zeichnete wieder. Er probierte die Kohle aus, die Pedro mitgebracht hatte, malte den Kopf der Mutter und wischte mit dem Daumen in Ermangelung eines Wischschwammes über die dicken Kohlelinien, bis sie die richtige Tönung hatten und die Zeichnung plastisch werden ließen. Am Abend zeigte er dann der ganzen Familie seine Werke, und man lobte ihn, und vor allem Pedro war es, der begeistert war und Juan einen Künstler nannte, der den Namen Torrico einmal in die Welt tragen würde.
Dann war Juan wirklich erfreut, denn er sah, daß er von Liebe umgeben war und daß man ihm nicht böse war, weil er krank den Rhythmus des Lebens unterbrach. Und diese Freude, die ihm Anita und sein Bruder gaben, trug viel dazu bei, ihn schneller kräftiger werden zu lassen, als es alle ahnten.
In dieser Woche aber geschah es auch, daß Fredo Campillo, der sich des Anrufes Dr. Osuras nicht mehr erinnerte und nach bestimmter Frist nur durch seinen großen Terminkalender daran erinnert werden würde, nach Puertollano zu fahren, ein Päckchen erhielt und verwundert war, daß es von seinem Freund Dr. Osura kam.
Er packte es aus und hielt eine Skizzenmappe in der Hand mit einem kurzen Schreiben:
»Lieber Fredo! Damit es Dich reizt, wirklich in einer Woche zu mir zu kommen, lege ich Dir eine Mappe des jungen Künstlers bei, der seine Entdeckung Dir verdan ken wird. Ich verstehe nichts von solchen Dingen – ich sehe nur, daß sie schön, herrlich, einzigartig sind. Ich habe viele gemalte Kühe und Vögel gesehen, manchen Mädchenkopf in Öl und anderen Farben, ich weiß nicht einmal , wie sie heißen. Aber ich fühle, daß in diesen Blättern des Juan Torrico etwas mehr liegt als nur die Zeichnung der Natur. Es ist Seele darin, Erleben der Welt und der Atem jenes Unbegreiflichen, was wir Genie nennen.
Betrachte Dir die Blätter gut, und merke Dir den Namen, der auf dich wartet: Juan Torrico.
Dein Emilio Osura.«
Campillo schüttelte den dicken Kopf und klappte die Mappe auf. Er war von Künstlern allerhand gewöhnt, sie liefen ihm das Büro ein, und er hatte draußen an seiner Türklinke ein Schild anbringen lassen: »Jeder Eintretende muß zwei Peseten Abnutzungsgebühr zahlen!« Doch auch dies hielt keinen der Maler und Bildhauer ab, zu Direktor Campillo zu gehen und ihre Mappen auf den sich biegenden Tisch zu legen. Und nun kamen sich auch noch mit der Post von Ärzten wie diesem Dr. Osura, der zugab, eine Null in der Kunstbetrachtung zu sein.
Das erste Bild war die flüchtige Bleistiftskizze einer Wiese mit den Bergen der Sierra Morena im Hintergrund und grasenden Kühen. Es war nur ein festgehaltener Gedanke, das sah Campillo sofort – aber was ihn bestach, das war der Strich des Bleistiftes, dieser sichere, naturhafte, völlig ungekünstelte Strich, der die Dinge mit äußerster Vereinfachung erfaßte. Die Kunst des Zeichnens ist Weglassen, heißt ein guter Lehrsatz. Es war klar, daß der junge Bauer Juan Torrico diesen Satz nicht kannte – und doch handelte er unbewußt danach und schuf eine Skizze, die Campillo auf den ersten Blick erfaßte und interessierte.
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