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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sohnes, der sie aus dem Felsen hieb. Da wischte sie sich über die Augen, als müsse sie ein Bild verscheuchen, und sie riß den Kopf mit einer Plötzlichkeit herum, die Campillo zusammenzucken ließ.
    »Wird Juan ein großer Künstler werden?« fragte sie hart.
    »Ja, Señora«, stotterte Campillo verwirrt. »Er ist es bereits!«
    »Er wird ein großer Mann werden, sagen Sie? Er ist mehr als Sie und Doktor Osura und ich und alle anderen hier?«
    »Ja, er ist ein Wunder, Señora.«
    »Er ist mein Sohn«, sagte sie da stolz und trat vom Wagen weg. »Ich habe ihn heute anders gesehen, fremder, aber schöner, viel schöner.« Sie verbarg die Arme unter dem nassen Schal. »Wenn er nach Madrid soll, so nehmt ihn mit. Ich will viel an ihn denken und ihm Kraft geben …«
    Und sie ließ die Männer stehen und ging die Straße zurück in die Berge, ein schwarzer, in nasse Tücher gehüllter dicker, alter Körper, so einsam und dem plötzlichen Schicksal ergeben, daß Dr. Osura in seinen Wagen stieg und es nicht wagte, ihr nachzublicken.
    Anita ging langsam durch den Schlamm des Weges. Ihre Beine brannten. Ein jeder Schritt stach durch den Körper und ließ ihn zusammenzucken.
    So gehen sie dahin, die Söhne, dachte sie. Der große hat den Hof und eine Frau, der junge hat seine eigene Welt, in die ihm keiner folgt.
    Und ich bin nur eine alte Frau, eine Mutter, die man nicht fragt, weil sie zu alt ist und zu dumm.
    Was ist schon eine Mutter? Sie gibt das Leben, sie erhält es – und dann darf sie sterben, um nicht mehr im Weg zu stehen …
    Anita blieb einen Augenblick stehen. Der Regen lief über ihr zerklüftetes Gesicht.
    Er ist ein Wunder, hat Campillo gesagt.
    Und was bin ich?
    Nichts als Anita.
    Und sie ging weiter, alt, nach vorn gebeugt, eine Mutter wie Millionen unter dieser Sonne.
    In den Bergen hatte sich der Regen erschöpft, und der Himmel riß auf und war blau und weit …
    Fredo Campillo hielt, was er versprach. Er lud die Spitzen der spa nischen Kunstwelt in sein Haus, bat die Vertreter der Regierung zu sich und stellte ihnen an einem Abend die Bildwerke Juan Torricos vor.
    Er sagte nicht viel – er ließ die Werke für sich sprechen; vor allem den Kopf Juans hatte er gut plaziert – er stand auf einem Sockel, der umhangen war mit einem hellroten Samtstoff, auf dem der wuchtige, dunkle Granit sich abhob, als wüchse dieser Kopf aus dem Blut heraus. Eine sinnvolle Andeutung, die die wenigsten Besucher verstanden, und so umstanden die Experten der spanischen Kunstwelt die wenigen Bildwerke und sahen manchmal zu Fredo Campillo hinüber, der still in einem Sessel saß und auf das Urteil wartete.
    Als man schwieg oder zögerte, sagte er laut:
    »Meine Herren! Der Künstler ist neunzehn Jahre alt, der aus einem inneren Feuer heraus diese Werke aus dem Stein seiner Heimat gehauen hat. Mit einem alten, abgebrochenen, stumpfen Meißel und einem einfachen Stahlhammer.«
    »Sie machen einen guten Witz, Campillo.« Ramirez Tortosa, einer der größten Kunstkenner Europas, beugte sich über den Kopf. »Dieses ist zum Beispiel mit einem Stichel genau vorgezeichnet, ehe man es aus dem Stein hieb. Es ist unmöglich, solch einen Kopf ohne Andeutungen einfach abzuspalten!«
    »Das habe ich auch gedacht, Señor Tortosa.« Campillo winkte ab. »Ich habe mich in der Werkstatt – einer Höhle in der Santa Madrona von Castilla – selbst überzeugt, daß dieser Juan Torrico den Kopf wirklich einfach aus dem Stein gehauen hat …«
    »Unglaublich.« Tortosa betrachtete wieder den Kopf und untersuchte mit einer Lupe die einzelnen Schläge. »Tatsächlich«, meinte er nach seiner Prüfung ein wenig kleinlaut. »Campillo – Ihre Entdeckung ist ein Genie!«
    Man umringte den Kopf, die Stimmen schwirrten durcheinander, man verstand die Worte nicht mehr.
    »Sie sagen, Tortosa, er ist ein Genie!« Campillo erhob sich. Es war plötzlich still in dem großen Zimmer. »Ich gehe weiter, meine Herren – dieser Bauer Juan Torrico ist der größte Bildhauer, den Spanien in den letzten zweihundert Jahren hervorgebracht hat. Ein Künstler, über den die Welt staunen wird …« Er stockte und sah sich um. »Ich habe Sie zu mir gebeten, um Ihnen zu zeigen, daß hier der Staat und alle Kunstinstitute die nationale Pflicht haben, diesen Jungen zu fördern. Er muß ausgebildet werden, er soll die beste Bildhauerschule Spaniens besuchen, er muß der Mann werden, vor dem die Menschen der ganzen Welt bewundernd stehen, wie sie vor Praxiteles,

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