Viele Mütter heißen Anita
waren, und sie waren eng und alltäglich, wie es eben die Praxis eines Landarztes ist.
Es war der 24. August 1952.
Ein Tag, an dem die Würfel über Juans Leben fielen …
Zwei Tage später traf bei Dr. Osura ein Brief aus Madrid ein.
Die Staatliche Akademie der Künste bat ihn, Herrn Juan Torrico zu benachrichtigen, daß ihn Direktor Ramirez Tortosa zum Beginn des nächsten Monats in Toledo erwarte.
Dann folgten einige Hinweise, was mitzubringen sei – es war eine Liste von Gegenständen, deren Beschaffung Juan unmöglich war, denn nicht nur die Mittel fehlten ihm dazu, sondern auch die Kenntnis der einzelnen Geräte und Tuben. Außerdem stand die Adresse des möblierten Zimmers dabei, das die Akademie für Señor Torrico gemietet hatte.
Dr. Osura, der gerade zu Hause war und neue Medikamente für den kranken Juan aus Mestanza holte, setzte sich sofort in seinen Wagen und fuhr nach Puertollano, um die ganze Liste abzukaufen. Und er überbot diese Liste aus Madrid noch, indem er für Juan zwei Anzüge kaufte, neue Oberhemden, vernünftige Unterkleidung, zwei Paar Schuhe, Strümpfe und die sonstigen Kleinigkeiten, die ein zivilisierter Mensch nicht vermissen möchte.
Am Abend dann trat er wieder in das Haus der Torricos und setzte sich an den Tisch, um den Pedro und Elvira hockten und das Abendbrot aßen. Stumm griff auch Dr. Osura zu, aß sein Brot mit Schafkäse und trank die fette Milch und fühlte die Augen Pedros auf sich ruhen mit einer brennenden Frage.
»Es ist soweit«, sagte er leise und blickte in sein Milchglas. »Die Arbeiten Juans haben gefallen. Er soll nach Toledo auf die Kunstschule.«
»Nach Toledo? Juan in die Stadt?« Pedro wischte sich über den Mund.
»Weiß es die Mutter schon?« fragte Elvira, und ihre Stimme war plötzlich zitternd. Dr. Osura schüttelte den Kopf.
»Daß es einmal sein wird, das weiß sie. Aber nicht, daß es schon nächste Woche ist …«
»Aber Juan ist doch krank!« Pedro schob das Brot zur Seite. Es war eine sinnlose Gebärde, aber er mußte mit seinen Händen etwas tun, um die Erregung in seinem Körper abzutöten.
»Bis dahin wird er gesund sein. Das Penicillin hilft schnell. Es ist nur eine leichte Lungenentzündung.«
»Und sein Herz …«
Dr. Osura sank in sich zusammen. »Sein Herz? Es ist nur nervös – sonst nichts«, log er, und er kam sich in diesem Augenblick grenzenlos schlecht vor. »Man wird sein Herz in Toledo genau beobachten. Man wird alles tun, um seine Gesundheit zu erhalten. Er wird es gut haben, Pedro.«
»Ich werde ihn ab und zu besuchen, Doktor Osura.«
»Das dürfen Sie, Pedro. Das ist vielleicht sehr gut. Und nehmen Sie dann auch die Mutter mit?«
»Ja, das werde ich tun.«
Pedro sah Dr. Osura nach, wie er sich erhob und hinein in die Kammer ging, wo Juan im Bett saß und heißen Tee trank. Anita saß neben ihm auf ihrem Hocker und hielt die Tasse fest und stützte seinen knochigen Rücken. Sie nickte dem eintretenden Arzt zu, und auch Juan lächelte beim Trinken, und seine Augen grüßten hinüber.
»Na, es geht ja besser«, sagte Dr. Osura ein wenig zu laut und zu lustig. »Noch drei Tage Ruhe, Juan, und dann heißt es, schnell wieder kräftig werden! Wir werden bald verreisen …«
Die Tasse in Anitas Hand begann zu zittern – der heiße Tee schwappte auf das Bett. Sie setzte das Gefäß ab und wischte sich die nassen Hände am Rock ab. Dann sah sie zu Juan hinüber. Sein Gesicht war ein großes Strahlen, so hell und rein in der Freude, daß sie einen Teil seines Glückes mitempfand. Sie stand auf und verließ das Zimmer. In der Küche umarmte sie Pedro.
»Wir werden ihn oft besuchen, Mutter«, sagte er tröstend, ohne zu fragen. »Du sollst sehen, wie er groß wird und berühmt.«
Dr. Osura drückte Juan in das Bett zurück, der aufspringen wollte, kaum, daß die Mutter die Kammer verlassen hatte. Er deckte ihn wieder zu und gab ihm einen leichten Schlag auf die Backe.
»Ruhig, mein Junge«, sagte er leise. »Campillo hat ein Stipendium für dich erreicht. Du wirst in Toledo studieren.«
»In Toledo. In einer großen Stadt. Nahe bei Madrid.«
»Ja. Und ab und zu werdet ihr alle nach Madrid fahren, in großen Omnibussen, und die Kunstschätze Spaniens ansehen.«
Juan ergriff beide Hände des Arztes und drückte sie. »Und das alles haben Sie für mich getan. Alles verdanke ich nur Ihnen. Alles …«
Juan ließ sich zurücksinken. In seinen Augen stand ein fiebriger Glanz.
An diesem Abend gab Dr. Osura eine zweite
Weitere Kostenlose Bücher