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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Señorita.«
    »Ist alles halb so schlimm – man muß den Alten nur kennen.«
    Ihr Lachen klang hell durch den Flur und verstärkte sich in der weiten Akustik. Dabei bog sie den schlanken Leib und drückte ein Aktenbündel an die plastisch durch das Kleid sich drückende Brust.
    Verwirrt sah ihr Juan nach. Sein Blick, gewohnt an die Enge der Berge und die Schönheit Conchas, weitete sich und sah Dinge, die er nie geahnt hatte. Er sah Lockung und Reiz und jene Mischung von Süße und Bestie, die einen Mann den Atem schneller treiben läßt. Warum ist Concha nicht hier, dachte Juan erschrocken. Mein Gott, ich liebe Concha doch …
    Er stieg die Treppen empor, fünf Stockwerke hoch, bis sich der lange Flur des Dachgeschosses ausbreitete. Große Türen, die man auf Schienen zur Seite rollen konnte, verschlossen die einzelnen Ateliersäle. Aus einigen klang das Schlagen der Hämmer und der helle singende Ton des Meißelns, und Juan fühlte sich plötzlich in seiner Welt, als er dies hörte, und er ging den Gang entlang und suchte die Klasse II B, getrieben von der Hoffnung, wieder vor einem Stein zu stehen und unter seinen Händen ein Bild wachsen zu sehen …
    In seinem Zimmer sah Ramirez Tortosa auf die Tür, die Juan eben geschlossen hatte. Ein feines Lächeln überzog sein Gesicht, als er den Hörer abnahm und die Klasse II B anrief.
    »Ja. Hier Tortosa. Herr Kollege, ich schicke Ihnen jetzt Juan Torrico. Ja, den Wunderknaben aus der Santa Madrona. Die große Entdeckung Campillos. Ich gebe Ihnen meinen besten Schüler – machen Sie aus ihm den großen Meister Spaniens!«
    Er legte den Hörer auf und sah aus dem Fenster auf den Tajo und das bunte Leben der Brücken.
    »Ich bin ein wenig hart gewesen«, sagte er zu sich, als wolle er einen leisen Zweifel besänftigen. »Aber ich muß es sein. Er soll wissen, daß er noch vieles lernen muß, ehe er ein Großer ist … Wie schnell ist ein Genie erloschen, wenn es sich überhebt …« Er drückte auf einen Knopf, und das kecke Fräulein trat ins Zimmer. »Bringen Sie mir bitte die Mappe Torrico«, sagte Tortosa laut.
    »Sofort!« Aber an der Tür drehte sich das Mädchen noch einmal um und sah zurück. »War das eben Herr Torrico?« fragte sie leise.
    »Ja. Warum?« Tortosa sah auf. »Ach so …« Er hob die Stimme. »Lassen Sie mir Juan in Ruhe, Jacquina … Wenn Sie dem Jungen den Kopf verdrehen, fliegen Sie! Verstanden?«
    »Ja, Herr Direktor.«
    Das Mädchen verließ das Zimmer. Auf dem Flur spitzte sie spöttisch die Lippen. Sie sah hübsch aus, schlangenhaft, mit jeder Gemeinheit überzogen, die manche Männer reizvoll finden.
    »Puh!« sagte sie leise. »Was geht den Alten an, was ich nach Feierabend tue?« Dann holte sie die Mappe und legte sie Tortosa wortlos auf den Tisch.
    Ich werde heute mittag auf ihn warten, dachte sie trotzig. Jetzt gerade! Unten, vor dem Haus. Und sie hatte ein Lächeln um die rot geschminkten Lippen wie die Schlange am verbotenen Baum des Paradieses …
    Nun war Juan ein paar Tage von zu Hause fort.
    Jeden Tag saß Anita draußen auf der Bank vor dem Haus und sah hinab auf den Weg, der von den Weiden heraufführte, und sie wartete, bis die Herde kam … eine Kuh hinter der anderen … aber am Ende der Herde ging nicht mehr Juan, sondern ein junger Knecht, den Pedro vor drei Tagen aus Solana del Pino mitgebracht hatte. Da schüttelte sie den Kopf, als könne sie es einfach nicht begreifen, daß ihr Juanito fort war, weit fort in der großen Stadt Toledo. Auch deckte sie jeden Abend den Tisch und legte fünf Gedecke auf, und dieses leere Gedeck Juans blieb liegen, bis sie alle gegessen hatten. So war er immer mitten unter ihnen, sein Platz war da, sein Löffel, sein Messer und sein Teller, und manchmal warf Pedro einen Blick auf den leeren Platz und dachte an die Zeit, da Juan dort gegessen hatte, schmal, engbrüstig, leidend und Suppe löffelte mit dem Gedanken, sie nicht verdient zu haben.
    Der Knecht schlief auch nicht in Juans Kammer – er hatte ein Lager neben der Scheune, in einem kleinen Gebäude, in dem früher das Futtergetreide stand. Dort hatte man ein Bett aufgeschlagen, einen Schrank hineingesetzt und einen Tisch mit zwei Stühlen. Juans Kammer aber wurde jeden Tag von Anita oder Elvira geputzt, das Bett wurde aufgeschüttelt, so, als habe er es gerade verlassen, und Pedro ließ seine Mutter gewähren und sagte nichts, denn er wußte, wie sehr sie litt unter der Abwesenheit Juans und der Ungewißheit, was aus ihm in der

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