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Vielen Dank für das Leben

Vielen Dank für das Leben

Titel: Vielen Dank für das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Berg
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schrien in ihre Mikrophone gegen die Helikoptergeräusche an. Da hatte es wohl ein Ereignis gegeben. Nach den Reportern und Experten, die bei allen Ereignissen sofort bereit sind, es scheint ein Expertendauercamp zu geben, wo sie wie Feuerwehrmänner auf ihren Einsatz warten, kam die Zusammenfassung der Ereignisse, von Zeugen mit Mobiltelefonen gemacht. Es hatte ein Seebeben gegeben. Einen Terroranschlag. Da gab es ein Bekennerschreiben, nicht von Islamisten, die waren müde, sondern protestierende Europäer waren die neue Gefahr, sie wollten die Ausländer wieder nach Hause bomben.
    Doch genauer wollte man sich da noch nicht festlegen. Die Technik ist wirklich erstaunlich, wenn sie jetzt schon Seebeben erzeugen kann, Respekt. Es war keine Warnung ergangen, denn man hielt die Stadt, die eine Stunde vom Meer entfernt lag, für sicher. Außerdem gab es Schutzvorrichtungen gegen den Fluss, der jedes Jahr über die Ufer trat und einige Stadtteile überflutete, wie man es von Bildern aus Venedig kennt. Die Überflutung der Stadt, das Meerwasser, das in den Flusslauf drückt, glich den Bildern von allen bekannten Tsunamis. Schiffe werden gegen Häuser gepresst, Häuser fallen in sich zusammen, alles geht langsam und elegant über die Bühne, keine Menschen, keine Schreie, das macht die Sache schwer begreifbar. Der Marktplatz der Stadt unter Wasser, Hunde auf schwimmenden Brettern, und dann war alles vorbei, und das Wasser zog sich elegant zurück, wie eine Zunge, die eine Fliege von einem Gesicht leckt und damit ein Familiendrama unter Fliegen auslöst.
    Erstaunlich.
    Wir sollten nachsehen, schlug Toto vor, besorgt um ihr Viertel und die Bekannten, die in dem Park schliefen, der schon lange kein Park mehr war, sondern eine betonierte Fläche, da würde es wohl jetzt nass geworden sein. Die Filme im Mobiltelefon hatten eine unromantische Stimmung hergestellt. Die Welt war für Toto wieder vorhanden. Vielleicht gibt es Tote, sagte Kasimir. Die Identifizierung von Leichen ist heute sicher einfacher als noch vor zwanzig Jahren, da doch jeder tätowiert ist unterdessen, die Tätowierten sind nach neunzehnhundertsiebzig geboren.
    Toto schwieg, sie hatte Kasimir nichts zu sagen, die Kunst der Unterhaltung war ihr fremd. Sie hatte sich nie gefragt, ob sie besonders klug war oder dumm, da gab es keinen Anlass, ihre Fähigkeit zum Smalltalk zu überprüfen, doch im Moment fühlte sie sich leer und sprachlos.
    Sie stiegen den Berg hinunter, die Stimmung, die während der letzten Stunden so unendlich gewesen war, verflog, wich etwas anderem, ebenso Irrealem, das Licht am Horizont schien von diversen Bränden zu zeugen, der Stau auf der Gegenspur, da fiel auch während eines Ereignisses keinem ein, die Stadt auf der falschen Fahrbahn zu verlassen. Vor den Brücken der Stadt ging es nicht mehr weiter. Holz, Container, Müll und Bretter versperrten die Fahrbahn. Woher kamen nur all die Bretter? Die waren vorher nicht zu sehen gewesen, da waren doch nirgends unsinnige Bretter an Häusern befestigt. Auf einigen balancierten Hunde.
    Kasimir und Toto stiegen aus und gingen zu Fuß in die Stadt, eine Schlammschicht bedeckte die Straßen, die Häuser waren nass, verdreckt, doch die meisten schienen noch zu stehen. Es war keine Panik, da rannte niemand schreiend und nackt, vier Stunden nach dem Ereignis begannen die Bewohner bereits wieder aufzuräumen, konzentriert und abwesend lasen sie Bretter auf. Fahrradfahrer kreuzten mit Helmen auf dem Kopf an den Bretterhaufen vorbei. Es war ihr gutes Recht, Rad zu fahren. Immer und um jeden Preis. Ihre Neoprenanzüge waren feucht geworden, sie mussten am Leib trocknen.
    Hier und da vermeinte man tätowierte Gliedmaßen aus dem Schlamm ragen zu sehen. Kasimirs Schuhe waren beschmutzt, was ihn mehr zu erregen schien als der unaufgeräumte Zustand der Stadt. Es sind sehr teure Schuhe, rahmengenäht. Toto nickte. Sie war zu dünn angezogen oder zu müde, der Weg über die Bretter anstrengend. Bis zum zweiten Stock hatte das Wasser gestanden, in Totos Haus, und erstaunlicherweise waren alle Scheiben zerbrochen. Im Nebenhaus hatte es gebrannt. Diese Neigung zu Feuersbrünsten bei einer Überschwemmung leuchtete Toto auch nicht ein. Seltsam, die Stille durch die Abwesenheit von Verkehr. Es ist so still, sagte Toto, und Kasimir sah nicht von seinen Schuhen auf. Ich werde heute schon nach Paris fahren, das ist mir zu hektisch hier, die Expertenrunden, die Aufräumarbeiten, geschlossene Geschäfte,

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