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Vielen Dank für das Leben

Vielen Dank für das Leben

Titel: Vielen Dank für das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Berg
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Billigbekleidungsläden und Imbissbuden. Darum all das Theater? Das ist die Freiheit, die ihr wollt? Auf einer gelb verbauten Straße Würste essen, über die ihr Soße schüttet? Das war das große Versprechen Kapitalismus: Du kannst alles erreichen. Du kannst so reich werden, dass du diese Geschwüre auf den Straßen nicht mehr sehen musst, dass du andere für dich arbeiten lassen kannst, während du in einem Haus sitzt, dessen prächtige Jasminhecken dich von allem Elend abschirmen, das du mit zu verantworten hast.
    Toto kam an einem alten Mann vorbei, eindeutig ein Verlierer in jedem Spiel, seine Hose schien von Exkrementen beschmutzt, und er roch so beißend, wie es nur jahrelang ungewaschenen Menschen gelingt. Der Alte betrachtete Toto, verzog das Gesicht, es war ohnehin verbeult vom Leben, und spuckte auf den Boden.
    Toto sah nichts mehr, er hatte zu weinen begonnen. Es war das erste Mal, und keine Erleichterung, es reinigte nicht, es half nichts, und doch war es nicht aufzuhalten. Es floss aus ihm, tropfte, rann, Toto wollte sich einfach auf den Boden legen und darauf warten, dass jemand kam, um ihn zu streicheln, zu trösten, ihm zu sagen, wohin er gehen sollte und warum. Wenn man keinen Gott hat, sagt einem das doch niemand. Lasst mich doch alle in Ruhe, sagte Toto und merkte, dass das ein absurder Satz war, denn es ließen ihn ja alle in Ruhe, sie wollten ihn nicht. Nirgends. Das war eindeutig nicht sein Tag. Nicht seine Stadt. Nichts, was ihn hier halten konnte. Toto hatte sein Begrüßungsgeld bei sich und seinen neuen Pass. Der Hund stand auf dem Bahnsteig. Und Toto saß wenig später im ersten Zug, der sich ihm bereitgestellt hatte, das wollte doch jeder mal, dieses: zum Bahnhof gehen und in den nächsten Zug einsteigen, nur war es nicht so interessant, wie man es sich vielleicht ausgemalt hätte. Toto saß in einem Zug Richtung Norden, draußen regnete es, in Schlieren lief es am Zugfenster herab, das Nass, dahinter lagen weite Felder im Dunkel.
    Es regnete. Das Land lag verschwommen und flach, nass und langweilig vor dem Zugfenster.

Kasimir, von außen
    betrachtet ein junger dynamischer Schmock wie viele in jener Zeit, hatte sein Elternhaus verlassen, um in der Großen Stadt im Norden den Grundstein für seinen Erfolg zu legen. Sein Anzug war teuer, das Geld hatte er seinem Vater gestohlen, eine Echsenmappe auf den Knien, Erfolg ist eine Frage der Energie. Setzt man ähnliche Intelligenz und Ausbildung voraus, ist Energie das Geheimnis, das Menschen zu Präsidenten oder Wirtschaftsbossen macht. Verfluchter Dreck. Kasimir trainierte seine Energie. Er aß im Laufen, um Zeit zu gewinnen. Speichel tropfte ihm auf den Kragen. Er schlief vier Stunden und lernte im Anschluss Fremdsprachen und die Funktionsweisen von Personal Computern. Er trainierte seine Muskeln und rannte, wenn die Stadt erwachte, an den Lichtern vorüber, die gerade in den Küchen der Trägen entzündet wurden. Sein Lungenvolumen vergrößerte sich, er war selten müde, er war immer unterwegs, das muss doch alles ein Wachstum haben. Kasimir rasierte sich täglich komplett. Sein Körper glich dem eines Aals, und er mochte es, seine Aalhaut abzutasten. Kasimir glaubte an die Ausdehnung von Reichtum und Universum. Wachstum schafft Arbeitsplätze, Krippenplätze, Parkplätze. Platz. Wir brauchen mehr davon. Auf mehr Platz kann man sich mit seinen Produkten ausbreiten. Man kann sie um sich schichten und sitzen und auf den Tod warten, der einen nicht finden wird, denn man ist hinter den Waren verborgen.
    Erinnerte sich Kasimir an Verwandte, dann sah er seine Adoptivmutter vor sich, die inzwischen eine kontrollierte Alkoholikerin geworden war. Sie hatte vierzig Kilo zugenommen, unsereiner hat ja keinen Personal Trainer wie die da oben, sagte sie sehr gerne. Und dabei hielt seine Mutter ihr Handgelenk nach hinten abgeknickt, irgendeine Säufermarotte, und in der Hand steckte eine Gabel mit Fleisch. Gekochtem Fleisch. Vielleicht vertrug ihr Alkoholikerinnenmagen nur mehr das. Es stank im Haus nach diesem gekochten Fleisch an ihrer Gabel, und sie hatte keine Handgelenke mehr, nur noch Fett mit Grübchen. Modell hätte sie werden können. Ich hatte meine Chancen, ja, ich hätte Modell werden können, sagte Kasimirs Mutter sehr gerne. Der Vater war gestorben, vor zwei Jahren, und Kasimir war allein mit der Frau und dem gekochten Fleisch und seiner Verachtung. Nie fiel Frauen etwas ein wie: Ich hätte Vorstandsvorsitzende einer Bank werden können,

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