Vielen Dank für das Leben
geschlechtlich wurden. Und dann noch eins trinken, die Frauen hakten die Männer unter, als sie an den Huren vorbeigingen, das ist meiner, den hab ich inne, bin eine ehrbare Frau, durch ihn, meinen Mann, die Heirat hat mich dazu gemacht, ich habe ein Haus, ich verfüge über einen Esstisch!
Der Höhepunkt war eine durch Tore abgetrennte Straße, zu der Touristinnen keinen Zutritt hatten, in der die Huren nackt in Schaufenstern saßen. Die Männer traten ein, feixend, sich Mut machend, ihre Frauen warteten vor dem Eingang, selbstgefällig verlegen. Es war ein großer Moment in ihrem kleinen Dasein. Sie gehörten zu den Guten, den Normalen, sie sagten: Mein Mann, und meinten: Ich bin auf der richtigen Seite. Heterosexuell und in ordentlichen Verhältnissen, ich habe allgemeingültigen Sex in der Missionarsstellung und wasche meine Scheide im Anschluss. Da ist es doch egal, wie sehr sie leiden, weil der Mann sich aufführt wie sein Vater und dessen Vater, mit breiten Beinen sich im Schritt kratzend, neben das Klo pissend. Sie haben alles richtig gemacht. Sie leiden. Mit Ablehnung musterten sie Toto, der ihnen gegenüberstand, das war eine Eigenschaft von ihm, das Stehen und Starren, bis er etwas begriff. Die Frauen mochten ihn nicht, ohne sagen zu können, warum. Er sah eben anders aus. Das langt. Sie waren ordentliche Frauen, sie sahen nicht anders aus, sie ähnelten sich. Waren unbestimmten Alters, sie hatten ihr Lebensziel erreicht, sie waren Gattin. Die Haare grau, die Trikotagen bequem und beige, das Gesicht ungeschminkt, der Körper vernachlässigt, die Mitte unförmig. Fleischgewordener Trotz. Sie hatten verdammt ihre Pflicht getan, waren nicht zum Spaß auf der Welt. Sie waren Mütter.
Toto wechselte die Seiten, war jetzt einer von den Männern, ein interessantes Gefühl, diese Komplizenschaft, das verstohlene Zwinkern, Mutmachen, komm, nu steck ihn schon mal rein. Dazu gibt’s sie doch, die Frauen, zum Reinstecken, oder zum Muttersein. Dazwischen alles uninteressante Grauzone. Die Männer hier waren mit Müttern verheiratet, da will man nicht mehr geschlechtlich sein, das ist fast eine Schweinerei, da will doch keiner anfassen, neben was er jeden Morgen aufwacht, die Scheide, nicht mehr prall wie Gummi nach der Geburt. Und Toto sah die Frauen an, in den Schaufenstern, die Augen kalt, sie mussten Männer hassen, würden vermutlich aber sagen, dass sie gerne Verkehr hatten, sie waren wie Geschenke verpackt, die Frauen, sich zu verkaufen war ihnen angeboren. Es war so ungleich furchtbarer, wenn ein Mann sich sexuell anbot. So widernatürlich. Nicht wahr, die Männer stießen sich in die Seite. Eine Frau bot sich doch immer an, von klein an war sie darauf dressiert, zu gefallen. Nicht zu laut sein, dem Vater das Gefühl geben, dass sie in seiner Hand verschwinden konnte. Sie lernten Mitleid und Rührung erzeugen, um nicht vom körperlich Überlegenen vernichtet zu werden.
Das Unwohlsein wurde körperlich, schnell verließ Toto die Straße, um zu Gott zu finden. Zeit für das tägliche Gebet der hilfsbedürftigen Schafe. Die Glocke in der kleinen Behelfskapelle läutete, es war acht Uhr.
An die dreißig verwahrloste Männer falteten die Hände, es sah befremdlich falsch aus, und da glaubte doch keiner an was. Wo soll der sein, der Gott? Das höhere Wesen. Keiner der Anwesenden überlegte sich die metaphorische Bedeutung einer übergeordneten moralischen Instanz, wenn schon, dann glaubten sie an einen Mann mit Bart, und den konnte man nirgends besichtigen. Sie hätten auch zu jedem anderen Führer gebetet, wenn der Sozialstaat weiterhin seiner Verpflichtung nachkommen wollte, sie wären in den Krieg marschiert oder hätten Türken zusammengeschlagen und deren Läden mit Parolen beschmiert, wenn es sich für sie ausgezahlt hätte.
Das sich beschleunigende System hatte sie ausgespuckt, die gedemütigten Männer in Kleiderkammerhemden, zu hellen Jeans, schlecht riechend, dünne Haare, miese Zähne. Sie alle hatten versagt, sie hatten es nicht geschafft, das Rudel war weitergezogen, sie lagen im Schnee und mussten jetzt die Hände falten, wie Kinder neben dem Bett, damit sie morgen ein Frühstück erhielten. Aber wo blieb der Seelsorger?
Der Raum
neben der Behelfskapelle des Männerheimes sah aus wie die Garderobe eines Gasthofs für eine tourende Laientheatergruppe, erbärmlich und doch voller Verheißung.
Da würde noch mal eine Große Kapelle kommen, eine Große Bühne, internationales Publikum, der Pfarrer
Weitere Kostenlose Bücher