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Vielen Dank für das Leben

Vielen Dank für das Leben

Titel: Vielen Dank für das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Berg
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oder Nuklearphysikerin mit eigener Forschungsgruppe. Immer waren es Tätigkeiten, die den Verkauf des Körpers implizierten, da kannten sie sich aus, im Verkauf ihrer Geschlechtsorgane. Wissen Sie, die Prostitution ist eine ehrliche Sache, sagten sie, sonst gäbe es viel mehr Vergewaltigungen, sagten sie. Wer Geschlechtsverkehr erwirbt, vergewaltigt nicht.
    Kasimir war ein Mann, da blieben doch nur siebzig Jahre, denn er würde wie alle Männer über seine physischen Verhältnisse leben, Krebs bekommen, Depressionen, und dann wollte er verdammt noch mal die Möglichkeit haben, tot in seinem Pool zu treiben und von Angestellten, die immerhin ein Lächeln unterdrückten, gefunden und beerdigt zu werden. Er ahnte, wie es ohne Anstrengung enden würde, wo das alles enden würde, noch zu seinen Lebzeiten, noch während seiner erbärmlichen siebzig Jahre, das ahnte er. Und lächelte bitter, wenn irre Optimisten von den Krankenhäusern berichteten und von dem steigenden Lebensstandard auch für die Dritte Welt, die ihnen doch völlig egal war. Das interessiert doch keine Sau, wie es irgendwelchen Schwarzen geht oder den Indern. Oder der herzensguten tanzenden Weltgemeinschaft. Oder irgendwem, der nicht mit einem verwandt ist. Und da war er wieder bei seiner Adoptivmutter, dem gekochten Fleisch, dem Ekel, der Kreis hat sich geschlossen.
    Die Globalisierung hatte begonnen, und alle jubelten, Kasimir schien es, als sei er der einzige, der ahnte, was das mit sich bringen würde: Fremde zu nah. Der Hass würde wachsen, der Nationalismus, die Fahnen, die Geier, die Gartenzwerge. Himmel, warum war dieses Land so hässlich, ein paar Pagoden könnten da doch Außerordentliches leisten.
    Kasimir würde Hedgefund-Manager werden, das stand fest, seit er das erste Mal Alfred Winslow Jones gelesen hatte, der 1949 den ersten Fonds gründete. Ein schlauer Mann. Und Kasimirs unbedingtes Vorbild. Alfred war Journalist gewesen, in den vierziger Jahren noch ein geachteter Beruf. Er hatte herausgefunden, dass es keine professionellen Aktienanalysten gab, die wirklich wussten, ob die Börsenkurse in Zukunft steigen oder fallen würden. Alfred sah eine Marktlücke. Er kaufte Aktien von unterbewerteten Firmen, denen er einen Kursanstieg zutraute, von offenkundig nicht brillant arbeitenden Firmen verkaufte er die Aktien, ohne sie wirklich zu besitzen. Alfred hatte die Marktlücke geschlossen. Kasimir verstand nicht, wie man auf nichtexistierende Firmenanteile wetten kann. Ihm war nur klar, dass die Börse das größte Geschäft mit der Gier der Menschen ist. Fast noch sicherer als der Tod.
    Morgen war sein erster Ausbildungstag in der Bank, und er hatte alles richtig gemacht. Sein Anzug war bescheiden, kleine Schulterpolster, nicht zu teuer. Er hatte noch keine Visitenkarten, er roch unauffällig. Er würde die Alphatiere nicht verunsichern, er würde sie bewundern, ohne ihnen in den Arsch zu kriechen und sie dadurch anzureizen, ihn zu vernichten. Draußen war seine Heimat. Er verachtete das Wort. Frag den letzten Idioten im hinterletzten Loch auf der Welt, irgendwo in der Wüste. Er wird strahlen und von den besten Heuschreckenspeisen berichten, er wird mit feuchten Augen tanzen und Heimatlieder singen. Die Scholle, die schönste in der Welt. Würde der Idiot sagen, und bei uns ist die Familie sehr wichtig, und er würde sich einzigartig fühlen. Das beste Essen, die schönste Landschaft. Idioten. Keiner kam auf die Idee, dass es vielleicht eine hormonelle Bindung ist, so etwas, wie Mütter es beim Anblick ihrer Babys spüren, was einen für immer an den Flecken bindet, auf dem man zufällig geboren ist. Da kann man doch mal nachdenken, nicht wahr? Da draußen würde nur ein umfassendes Bombardement helfen. Die ehemaligen Ostgebiete. Verlassene Bahnhöfe, besoffene Jugendliche. Der Osten.
    Toto.

Und weiter.
    Genau so beginnen Städte, die diesen Namen verdienen, hatte Toto gedacht, als der Zug durch den Freihafen gerollt war. Industrie und ein breiter Fluss, Kräne und Lagerhäuser, Lichter in der Nacht und Regen. Wäre er verwegener gewesen, hieße die Stadt jetzt São Paulo und Toto wäre auf dem Weg, als Leichtmatrose anzuheuern auf einem Fang- und Verarbeitungsschiff.
    Toto erschien diese Stadt im nördlichen Teil des kapitalistischen Landes schon weit genug entfernt für einen, der vornehmlich zwischen hundert Einwohnern, die im Kreis um eintausend Milchviehanlagen lebten, groß geworden war.
    Nach Verlassen des Zuges war Toto versucht, den

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