Vielen Dank für das Leben
Effekt so groß, sie hatte noch nie so gefühlt, würde sie sagen und ihn ansehen, sein Haar so duftend, sein Körper so gepflegt, und der unermessliche Reichtum würde sein Haupt umleuchten. Schon wäre da ein Film im Kopf dieser Karins, sie sähen sich an seiner Seite, also eigentlich sähen sie sich mit seinem Geld in der Wohnung, im Jaguar, in der Businessclass, ihr Leben eingerichtet, gebären, vielleicht auch das, und der Film würde sich gewaltig mit den Leben decken, die sie aus Illustrierten kannten, diese verdammten Illustrierten, die allen das Gefühl gaben, Hollywoods Häuser warteten auf sie, St. Barth ist um die Ecke, und es stünde ihnen zu, einfach, weil sie da waren und die Anstrengungen täglicher Ausscheidungen auf sich nahmen. Und dann wären die Karins am Haken, und Kasimir würde sie freundlich, aber etwas kühl verabschieden, denn er wusste, am nächsten Tag würden sie wieder vor der Tür stehen. Er ließe sie ein und würde sie in eine verheerende Abhängigkeit bringen, sie würden sich vergessen, nach einigen Wochen nackt vor ihm auf dem Boden kriechen, sie würden dick werden oder dünn, wenn er es wollte, sich hassen für ihre Abhängigkeit, und nach einiger Zeit würde Kasimir die Karins völlig überraschend für sie entlassen, in dem angenehmen Bewusstsein, einen dauernden Schaden in ihnen angerichtet zu haben. Wie gesagt, es hatte mit Sadomasochismus zu tun, mit einem Ekel, den er Frauen gegenüber empfand. Besonders aber mit dem eigentlichen Objekt seiner Obsession, das er sich aufbewahren wollte wie ein erlesenes Dessert. Es würde seinen Weg begleiten, bis er es für gegeben hielte, Totos Leben zu einem Großen Finale zu führen. Doch im Moment versuchte er, sich auf Toto zu konzentrieren, der sang, der schrie, von einem Leid, dessen er sich nicht bewusst war, und der die Menschen, die ihn zu verspotten suchten, nicht wahrnahm.
Toto schien über allem zu schweben, was die Welt zu einem widerlichen Ort machte.
Die Mitte.
Erst wenig war benutzt worden vom neuen Jahrtausend. Der demokratische Kapitalismus existierte knappe drei Generationen, der weltweite Warenhandel war in den vergangenen fünfzig Jahren um das 29-fache gestiegen, ein Wachstum war immer und zu jeder Zeit unbedingt notwendig, die Beschleunigung durch das Internet erfreulich, in Sekunden lassen sich Milliarden verschieben, die Finanzunternehmen mussten immer neue Fonds kreieren, um die Anlegefreudigkeit ihrer Kunden zu befriedigen, und die wissen, was sie wollen.
Mehr.
Die öde Überschrift des neuen Jahrtausends.
Für die Menschen war das Mehr ein wenig viel geworden, ein unbewusster Unmut durch Überforderung ließ sie den Alltag nur mit Medikamenten überleben, heimlich wuchs die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, die es nie gegeben hatte, es war alles zu eng, zu schnell, zu groß, zu voll, zu dick, zu bunt, zu laut und zu vernetzt, da wuchs ganz globalisiert so eine richtig, richtig schlechte Laune.
Da war kein Gegenentwurf, zu viel war über die real gescheiterten Alternativen bekanntgeworden. Diktatur! riefen die Überlebenden, die in einem ordentlichen kommunistischen System aufgewachsen waren, Diktatur! raunten die Überlegenen, die in einem ordentlichen kapitalistischen System aufgewachsen waren, und die Öffnung Chinas, der letzten kommunistischen Bastion, gab ihnen recht, man wusste von Folter, Unterdrückung und Gleichschaltung zu berichten, ja, man musste den Kapitalismus einfach mögen, das einzig lebbare demokratische System, die Freiheit, die unbegrenzten Möglichkeiten, all das gab dem Leben recht, dem Leben im Vertrauen auf die niedrigsten Instinkte. Unbemerkt von den westlichen Ländern vollzog sich ein gewaltiger Umbruch im arabischen Teil der Welt, die Bevölkerungszahlen Ägyptens, Marokkos, Tunesiens und anderer arabischer Länder hatten sich innerhalb der letzten dreißig Jahre verdreifacht, der Analphabetismus ging zurück, da wuchs ein Potential von Millionen jungen gut ausgebildeten Männern heran, für die es keine Verwendung gab, die Länder, in denen die Frauen Zugang zur Bildung hatten, veränderten sich am stärksten, die Geburtenzahlen stagnierten, die Unruhe wuchs, interessante Umwälzungen kündigten sich an, in dem kapitalistischen Land im Norden merkte man das nicht, um was soll man sich noch alles kümmern, hier wurde das Arbeitsamt in Jobcenter umbenannt und das vorherrschende Orange im öffentlichen Raum durch Rot ersetzt, und man bereitete den langsamen Zusammenbruch
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