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Vielen Dank für das Leben

Vielen Dank für das Leben

Titel: Vielen Dank für das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Berg
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des Sozialstaates vor, der ist gegen die menschliche Natur. Das Teilen liegt ihnen nicht, den Leuten.
    Es ging ihnen immer noch nicht wirklich schlecht, den Menschen im Westen Europas, die Slums waren die alten Neubaugebiete am Rande der Städte, wo arbeitslose Ausländer der zweiten Generation und arbeitslose Einheimische der zwanzigsten Generation schlecht zusammenlebten, sie hatten eine Heizung und eine Wohnung, aber keinen Hunger, da war soziale Gleichheit versprochen worden, dafür zahlten sie schließlich Steuern, und nun saßen sie da, gedemütigt oder in sich zusammengesunken, die arbeitslosen Söhne der arbeitslosen Einwanderer waren wütend auf das Scheißsystem und auf Scheißamerika, da war es doch so schwer, einen Feind auszumachen, selbst die sehr Einfältigen waren verwirrt von der Schwierigkeit, eine Position zu beziehen, diese Welt spuckte jetzt sekündlich neue Informationen aus, das gab dem Menschen das Gefühl, dass man alles besser machen musste, anders machen musste, ließ ihn denken, dass die Welt eine Einheit war, ein globales Dorf, das man doch ordentlich führen musste, würde ihn nur einer fragen, warum, verdammt, fragt ihn denn keiner.
    Diese Wut war eine alberne Form der Energieverschwendung, und es wäre schade drum gewesen, sie auszusitzen, darum wurden die wütenden jungen Männer gleich welcher Eltern zu Kleinkriminellen, sie redeten vom Ghetto und ihrem Block, sie hatten Hormone und wussten nicht, wohin damit, wenn sie doch nur Bäume in Häcksler stopfen dürften, das Scheißsystem macht mich zu dem, was ich bin, sagten sie und übten sich im Zusammenschlagen von selbstgerechten Rentnern. Einige Söhne der arbeitslosen Einwanderer schlossen sich seltsamen Kampfgruppen an, sie genossen Respekt. Sie waren wieder wer, es war die alte Geschichte von Männerbünden und dem gemeinsamen Orgasmus der Eigenexplosion, das neue Ding zu Beginn des neuen Jahrtausends.
    Die Angst vor dem Terror, den Bakterien und diesen neuen Geheimnissen ließ die Menschen in ihren Berufen, Beziehungen, Wohnungen ausharren, ließ sie um ihre Stellen beten, ach, wenn sie nur gewusst hätten, zu wem, in den Banken wurde gewissenhaft die Krise vorbereitet, die wenig später die Welt kurzfristig erschüttern sollte, so wie die Hurrikane und Erdbeben, die Tsunamis und Waldbrände und Überschwemmungen und Erdrutsche, die sich erstaunlich häuften, wer hätte das geahnt.
    Es gab kaum mehr einen Widerstand, die Menschen hatten sich ergeben, wussten nur nicht, wem. Die Generation der erwerbsfähigen Dreißig-, Vierzigjährigen starrte paralysiert auf den Zusammenbruch der angenommenen Sicherheit ihres Lebens. Plötzlich waren sie arbeitslos. Oder sie hatten mehrere Tätigkeiten, und sie mussten sparen. Sie konnten nicht mehr Businessclass fliegen, sie konnten überhaupt nicht mehr fliegen, denn es gebrach ihnen an Zielen. Sparen. Was für ein kleinbürgerliches Wort, ein Elternwort, ein Siedlungshauswort. Das Internet war die Werbebranche der Zeit, großartige Firmen wurden gegründet, Internetportale, Webzeitungen, Singlebörsen, Dreierbörsen, Kinderbörsen, Werbebannerplattformen. Büroräume wurden angemietet, Kredite aufgenommen, mit Skateboards wollte man durch Lagerhallen fahren und die Welt verändern, also in finanzieller Hinsicht, und nun war schon wieder alles vorbei, es war zu früh, der Markt nicht erforscht, die Bedürfnisse nicht vorhanden, die Summen absurd, die Start-up-Unternehmen bankrott, und ihre Gründer waren wieder zu den Eltern gezogen oder fuhren Taxi.
    Ein kontaktfreudiger Student an der Harvard-Universität entwickelte mit Freunden eine Internetkontaktplattform für seine kontaktsuchenden Mitstudenten, auf der sich schon nach wenigen Monaten Milliarden und Abermilliarden Menschen über ihr Privatleben austauschten, in der rührenden Annahme, dass sie mit ein wenig Jungmenschengequatsche die Welt zu einem moderaten Ort geformt hätten.
    Die letzten Bastionen der Männer waren Religion und Naturwissenschaft, die wurden verteidigt, es war der Beginn der letzten Schlacht zwischen den Geschlechtern; seit es möglich war, Nachwuchs ohne männliche Aktivität herzustellen, waren die dümmeren und damit lauteren Angehörigen dieses Geschlechts in Aufruhr, es würde noch einige Jahrzehnte benötigen, bis sie Ruhe gaben, bis alle gleich waren, sich mit gleicher Kraft selber versklavten.
    Jeden Tag starben einige Geheimnisse und mehrere Tierarten aus. Die Zahl der Personal Computer stieg täglich um

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