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Vielen Dank für das Leben

Vielen Dank für das Leben

Titel: Vielen Dank für das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Berg
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nicht einmal die Mode würde später zitiert werden, die Musik zeichnete sich durch abenteuerliche Flachheit aus, Pop regierte, das letzte Jahrzehnt brachte Dutzende von verzweifelten Revivals hervor, die Boygroups wurden erfunden, Metalmusic wurde Mainstream, die Wiederbelebung der Gothicszene nannte man Grunge, warum auch nicht. In den neunziger Jahren wurde der Techno erfunden, Musik, deren aggressive Geschwindigkeit durch die Wirkung der Drogen, die man konsumierte, neutralisiert wurde. Techno war endlich wieder eine Jugendbewegung, aber leider von Erwachsenen erfunden. Was immer die Jugend für sich entdeckt zu haben glaubte, wurde ihnen im gleichen Augenblick weggenommen und vermarktet. Das Raven verlangte nach gestählten Leibern und Energydrinks, die Zeit der vollelektronischen Musik stand stellvertretend für den vollelektronischen Menschen, den es noch zu entwickeln galt. Man war auf gutem Weg, die Menschen rauchten noch, doch mit schlechtem Gewissen, und wer nicht ins Fitnesstudio ging, hatte bei Stehpartys schlechte Karten. Was, du gehst in kein Fitnesstudio, fragten Männer mit glänzenden Anzügen und schauten verloren durch diese formlose Person, den Fitnessverweigerer, den Karriereknicker. Die Zeit rollte auf ein neues Jahrtausend zu, die Jahre bis zum Wechsel mussten herumgebracht werden, der Mensch musste sich in Form bringen, alle machten sich bereit, um mit den neuen Anforderungen zu verschmelzen.

Und weiter.
    Gib mir einen.
    Toto schenkte der Asiatin, die vor ihm am Tresen lehnte, Wodka ein. Die Frau sah jetzt, sieben Uhr abends und ungeschminkt, verheerend aus. Ihr Gesicht glich der Nahaufnahme des Mondes, die Augen hingen darin wie gelbe Lampen. Ich kann die Abende ohne Alkohol nicht mehr ertragen, sagte Li und verriet Toto kein Geheimnis, denn er würde ihr den gesamten Abend nachschenken, ihren Verfall beobachten, ihr irgendwann ein Taxi rufen.
    Diese dummen alten Männer mit ihren ungewaschenen Unterhosen, die so stolz drauf sind, wenn er zum Stehen gelangt, und dann kommen sie direkt, und dann sagen sie, oh, wie wunderbar, die asiatischen Frauen, die wissen noch, was Frau sein heißt, die sind so sanft, so einfühlsam, anders als die Emanzen hier, und damit meinen sie nur, dass sie uns vergewaltigen gegen Bezahlung und wir den Mund halten und sie nicht auslachen. Damit meinen sie, sie haben keine Angst vor uns, weil es ist wie Kinderficken, damit meinen sie, sie sind erbärmliche Versager, die sich nur besser fühlen können, wenn sie jemanden verachten dürfen, uns, die kleinen schlitzäugigen Babyhuren, die sie ficken im Urlaub oder hier und wegwerfen können und sich einreden, wir machen das aus Spaß, oder weil sie so tolle Hechte sind, die Kindervergewaltiger, die sich auf uns rollen mit ihrem dreifachen Gewicht. Li, die vielleicht Petra hieß, auf Thailändisch, kippte noch ein Glas, dann schwankte sie auf kleinen traurigen Katzenbeinen hinter die Bühne.
    Der Job an der Bar war nicht geeignet, Toto ein entspanntes Geschlechterverhältnis zu lehren. Es waren ausschließlich Frauen, die sich hier verkauften. Teils, weil sie zu dumm waren, als dass ihnen die Konsequenzen dieses Jobs klar gewesen wären, teils, weil sie aus Ländern kamen, wo es ihnen selbst ohne den Verkauf ihrer Leiber noch schlechter gehen würde.
    Die Welt schien Toto zu jener Zeit ein Wald aus Männern, die ihre Penisse in den Händen hielten, an nichts anderem interessiert, als diese kleinen Teile in irgendwas zu stecken, das sich im besten Falle noch bewegte. Toto entwickelte ernste Zweifel an der Existenz eines höheren evolutionären Plans. Der Fehler liegt in der körperlichen Überlegenheit der Männer und ihrem unsinnigen Drang nach Vermehrung. Wären es die Frauen gewesen, die entscheiden, ob sie gebären wollen und sich paaren, dann wäre die Welt nicht überbevölkert und es hätte sich das intelligentere Erbgut vermehrt, da die Frauen die männlichen Exemplare, die Toto allabendlich mit offenem Mund und Schweißperlen auf der Stirn schwitzen sah, als Erbgutspender vermutlich abgelehnt hätten.
    Weißt du, ich bin zu müde, um was zu ändern. Jede Nacht, zwischen dem Schlaf, in der Dämmerung des Denkens, ist mir klar, was ich zu tun habe, damit ich wieder atmen kann, damit ich einmal wieder munter werde. Ich habe das nicht vergessen, dieses Gefühl des Munterseins. Ich sehe mich überdeutlich, an einem warmen Ort, wo ich in kurzen Hosen und ohne Schuhe draußen arbeiten könnte, und sei’s nur als

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