Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vielen Dank für das Leben

Vielen Dank für das Leben

Titel: Vielen Dank für das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Berg
Vom Netzwerk:
angenehmeren Temperaturen verhalf ihm das Rendezvous mit niederen Formen des Menschseins immer zu einer gewissen Demut, die er schätzte. Der Schwung hielt wenig vor; wieder daheim, meditierte er noch Tage und dankte dem Universum für die Gnade seiner Geburt an einem privilegierten Ort.
    Kasimir blickte auf die Straße. Diesen Menschen hier war das Fleisch genauso vergänglich wie ihm, nur konnten sie es sehr viel schlechter genießen, das Fleisch, und dem Verfall waren sie so grausam ausgeliefert. Kasimir warf seine Zigarre über die Brüstung des Clubs.
    Eine Kellnerin kam an den Tisch und fragte nach seinen Wünschen. Freundlich sah Kasimir sie an und sagte in seiner Sprache: Ich möchte dich ausgeweidet sehen. Die junge Frau lächelte und verschwand, vermutlich um ein Entbein-Messer zu holen. Frauen. Kasimir war sich nicht klar, wann es ihm klargeworden war, dass sie ihn ängstigten; so, wie andere Kinder sich vor Clowns fürchten, begann er in der Nähe von Frauen stumm zu schreien. Die Abwesenheit der Väter macht sie so übermächtig, lässt Männer zu Homosexuellen werden oder zu jenen abstoßenden Maschinenwesen in Anzügen, die ihn auf seiner Arbeit umgaben. Die Frauen waren die Antimodernisten dieser Welt, sie hielten sie auf, sie bremsten, verzögerten, ihr Sexualverhalten ließ sich auf alle Bereiche des Lebens übertragen. Taktierend. Ohne Leidenschaft.
    Wenn er sich vorstellte, und das tat er oft, dass er aus der Scheide einer Frau gekrochen war, dann wurde ihm so unangenehm, dass er schnell auf etwas einschlagen musste, das sich bewegte. Alles an Frauen stieß ihn ab. Ihre Cellulitis, ihre Ausdünstungen, ihre Unkultiviertheit. Sie waren am Gebären interessiert, am Stillen, an allem, was körperlich ist. Nie kann perfekt sein, was aus einer Frau entsteht. Einen kleinen Tick haben ja alle.
    Kasimir wurde nervös, denn nach seiner Berechnung müsste der Junge, den er für eine kleine Gefälligkeit entlohnt hatte, längst das Hotel verlassen haben, in dem Toto wohnte. Doch er kam nicht.
    Und Toto stand immer noch seltsam erleuchtet auf dem Balkon. Da war etwas völlig außer Kontrolle geraten. Kasimir fegte wütend das Tablett aus den Händen eines Kellnersklaven. Er hatte verdammte Lust, die Straße zu überqueren, in das Hotelzimmer der Transe zu gehen und, ohne anzuklopfen, ihren Kopf gegen die Wand zu schmettern.

Und weiter.
    Toto saß mit dreißig Frauen, die sie in den vergangenen Stunden mehrfach durchgezählt hatte, zusammen in einem Raum. Der Ventilator verteilte stickige Luft, die roch, wie man sich Pestluft vorstellt, wie altes Öl klebte sie auf dem Leib.
    Jedem stand ein Stück Boden zu, auf dem er liegen konnte, der gefangene Mensch. Toto hatte Schwierigkeiten, ihre Gliedmaßen an sich zu verstauen, denn sie war ansehnlich größer und breiter als die winzigen Frauen hier, die, selbst wenn sie für ihre Rasse übergewichtig waren, selten mehr als fünfzig Kilo wogen. Toto saß in einer Ecke, um nicht zu viel Platz zu belegen. Sie konnte sich nicht einmal freuen, dass sie ohne ein Murren in das Frauenuntersuchungsgefängnis verbracht worden war.
    Vor zehn Stunden, im Flughafengebäude, war Toto traurig gewesen. Sovann stand draußen, an der Glasscheibe, zusammen mit tausend anderen Kambodschanern, die nicht einmal neidisch auf die Reisenden blickten. Sie würden nie irgendwohin fliegen. Der Masochismus trieb sie in ihrer freien Zeit zum Flughafen, sie schauten Maschinen an und Touristen, vielleicht träumten manche, einer werde sie sehen und sagen: Komm, flieg doch mit! Flieg mit mir in ein Land, das du aus dem Fernsehen kennst. Dort wirst du einen Wagen besitzen, denn das war es doch, was sich die meisten unter dem Inbegriff von gutem Leben vorstellten, ein Mittelklassewagen, um den sie tanzten.
    In Totos Trauer mischte sich die große Freude auf zu Hause, sie freute sich sogar, dass sie dachte: zu Hause, und damit die graue Stadt im Norden meinte. Ein letzter Blick zu Sovann, sie würde sich während der zwölf Stunden ausmalen, wie sie hierher zurückkäme oder Sovann einlud, und in dem Moment, da sie sich schon auf die Phantasien im Flugzeug freute, wurde sie von zwei eventuellen Polizisten grob angehalten. Toto war in einen Nebenraum gedrängt worden, der Inhalt ihrer Reisetasche entleert, einer der Uniformierten hielt triumphierend ein Päckchen in der Hand. Toto wurde durch die Halle in ein Auto geschoben, Sovann war nicht zu sehen. Kurz darauf saß Toto in einem Raum, hinter einer

Weitere Kostenlose Bücher