Vielen Dank für das Leben
Badewanne zu sehnen.
Sie hatte sich zwei Wochen gefühlt, wie sie sich Personen unter Heroineinfluss vorstellte. Außer sich, ohne Körper und glücklich, hatte sie in jeder Ecke gesessen, innerlich Deckchen auf nicht vorhandene Möbel verteilt. Für ein Leben als Mitglied der arbeitenden Bevölkerungsgemeinschaft war es unabdingbar, Möbel zu kaufen, Schränke, die mit Produkten gefüllt werden konnten; Betten, die Matratzen benötigten, Möbelpflegemittel, Staubsauger, Dekorationsobjekte mussten angeschafft werden, und in regelmäßigen Abständen musste alles wieder entsorgt und gegen neue Produkte ausgetauscht werden. Das ist doch kein Zustand sonst. Das ist doch nicht zum Aushalten, ein Leben ohne Stühle, die man unter Tische schiebt, auf die man sich setzt, um auf Porzellan etwas Wohlschmeckendes einzunehmen. Bedürfnisse schaffen, wo keine existieren, das Motto der Marktwirtschaft, der Antrieb des Kapitalismus. Toto würde das alles noch begreifen.
Sie schlief auf einer Matratze, besaß einen Wecker und Plastikgeschirr. Der Wecker klingelte immer, wenn sie bereits, wie noch im Halbschlaf, in der Küche auf dem Fensterbrett saß und Kaffee trank. Es war dann sechs Uhr am Morgen. Mit der U-Bahn, gedrängt an müde, ebenso traurige Menschen, zur Aggression fehlte ihnen um die Uhrzeit noch die Kraft, fuhr sie zwanzig Minuten durch verstörende Vororte. Was haben sich die Menschen da nur eingerichtet? Das zweite Jahrtausend, und immer mehr Spezialisten braucht es, um zu flicken, was hundert Jahre Dummheit angerichtet haben. Autobahnen zerteilen Täler, Müllhalden dampfen, die Luft schmutzig, der Regen sauer, die Bäume abgeholzt, die Meere leer, jetzt geht’s ab in die Tiefsee, mal sehen, was sich da anstellen lässt.
Draußen die vorletzte Station. Backsteinhäuser mit Blick auf die Gleise. Ein Autohof. Fehlte nur noch die Autobahnkirche. Da war doch nichts zu sehen von den blühenden Utopien, die früher versprochen worden waren. Sozialismus wie Kapitalismus, war doch alles egal, die Menschen hatten sich eine Hölle geschaffen, aus der sie nur in den kurzen Urlauben ausbrechen konnten, wenn überhaupt, dann wanderten sie durch übersichtliche Waldflächen, im Boden schlummerten radioaktiv verseuchte Pilze, und sie konnten murmeln: Ist doch großartig, so in der Natur. In der Stadt fühle ich mich entfremdet.
Aussteigen. Im Strom Angestellter durch eine Unterführung geschoben werden; ein Feuer hier, und sie würden stillhalten, sich gerne den Flammen überlassen. Toto, unauffällig gekleidet, mit einem Gesicht, das Menschen rührte, denn es hatte etwas Kindliches, mit zu großen Augen, den zu vielen Haaren, der zu hohen Stirn, dem traurigen Mund. Keine Schönheit, nichts, was man zum Verkauf von Produkten verwenden könnte, doch auffallend, die Weichheit des Ausdrucks, so auffällig, dass sie immer wieder angestarrt wurde. Toto bemerkte es nicht. Es war zu früh.
Die Ausbildungsfabrik lag in einem Industriegebiet, das auf einer dünnen Erdoberfläche stand, unter der das Erdinnere kochte, Blasen warf und nur drauf wartete, zu gegebener Zeit zu explodieren, Erdplatten zu verschieben, als Lava auf Einfamilienhäuser zu regnen. Die Natur, der Hund, lässt sich nicht beherrschen. Macht, was sie will, und seit die Menschen keine Götter mehr verantwortlich machen wollen, beschuldigen sie sich gegenseitig für das, was sie Katastrophen nennen, was aber einfach die Erde ist, das Meer, die Stürme, die Erdbeben.
Toto stempelte eine Karte elektronisch ab. Eine unsichtbare Hand fuhr aus dem Gerät, streichelte sie und murmelte: Brav, gut gemacht, feines, folgsames Ding. Jetzt aber genug der Kosung, und ab an den Schraubstock.
Die Umkleideräume rochen nach Fett. Totos Aufgabe bestand seit Wochen darin, Maschinenteile in ein Ölbad zu tauchen, sie in Ölpapier zu wickeln und in einem Regal zu verstauen. Die Halle war immer kalt, der Betonboden von einem Ölfilm bedeckt, die Hände waren voller Öl, Toto atmete Öl. Sie lernte nichts. Außer dem Einwickeln von Metallteilen, die im besten Fall zu irgendetwas Großem werden konnten.
In ihrer Schicht arbeiteten drei Männer aus verschiedenen Kriegsgebieten, sie waren gläubig, wie sie gerne betonten, wie um Respekt einzufordern, und eine rumänische Frau. Alle redeten in unverständlicher Sprache, die sie eventuell für die hier gebräuchliche hielten. Die Gruppe war durch ihren Hass auf den Arbeitsplatz zu einem Etwas zusammengewachsen, das Toto misstrauisch
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