Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)
zu sagen hat.“
Das war wahr!
Dr. Brisco bot mir sofort einen Stuhl an und wählte dabei nicht den, der an seinem Schreibtisch stand. Nein, er hatte noch eine gemütliche Sitzgruppe in einem kleinen abgegrenzten Teil des Zimmers. Dort lagen Unterlagen und vier Bücher bereits auf dem Tisch verteilt. Alle vier Bücher kannte ich nur allzu gut. Zwei Bücher waren über das Leben von Dane Gelton verfasst, zwei Bücher waren von Chris selbst. Seine Lebensgeschichte und sein CampAusflug mit Nachtrag, den ich noch nicht gelesen hatte. Daneben lagen Zeitungsartikel und Ordner, die die Namen von Chris' Eltern und Sarah Geltons dritten Lebensgefährten Brad Livingston trugen. Brad der Mann, der Chris ständig geprügelt hatte.
Die ganze Palette war über den Tisch verstreut. Daneben standen zwei Tassen und eine Thermokanne, voll mit starkem Kaffee. Brisco sah auf die Uhr und griff zum Telefonhörer. Er drückte einen Knopf und sagte: „Ich will heute nicht mehr gestört werden. Von niemandem. – Danke.“ Er legte wieder auf.
Das würde eine äußerst lange Kündigung werden. Ich war nervös. Dr. Brisco setzte sich zu mir und fragte: „Kaffee?“
„Danke, ja“, sagte ich höflich. Er machte die Tassen voll und holte Zucker und Milchdöschen. Ich griff zur Milch, Brisco zum Zucker. Damit war die Kampfarena eröffnet.
Dr. Brisco fragte: „Kennen Sie diese Unterlagen?“
Ich sah oberflächlich über das Material und sagte: „Größtenteils ja.“
„Die Bücher?“
„Alle, Sir.“
„Die Akten?“
„Nur die von Sarah Gelton und Brad Livingston. Die von Chris habe ich selbst erstellt.“
„Mmh“, murmelte Brisco. „Und die von Dane Gelton?“
„Habe ich lange im Büro gehabt, damals im Heim. Konnte aber keinen intensiven Blick über Verlauf und Behandlung werfen. Habe nur die Diagnostik gelesen.“
„Mmh.“ Wieder nur murmeln.
„Ja“, sagte ich. Mmh.
Wir schwiegen und tranken Kaffee. Ich nippte am Rand meiner Tasse herum, weil der Kaffee so verflucht heiß war.
„Wissen Sie, wo ich in den letzten Tagen war?“, fragte mich Dr. Brisco.
Iwo. Woher sollte ich das wissen? In Urlaub, auf Tagung, im Bett?
„Nein, Sir“, antwortete ich folgsam. In meiner Kündigung durfte auf keinen Fall stehen: Er war respektlos Vorgesetzten gegenüber .
„In Kansas“, hörte ich ihn sagen.
Okay! Schöner Staat. Dann klingelte es bei mir. In Kansas?? Und ich fragte aufgeregt: „In Topeka?“
Brisco nickte.
„In Valley Falls?“
Wieder nickte mein Chef. Er griff in seine Jackentasche und holte Fotos hervor.
Die Gelton-Farm! Ich war wie von Sinnen! Ich sah mir jedes einzelne Bild genau an. Die abgebrannte Ruine des Farmhauses, die Scheune, zwei demolierte Wagen darin. Der Blick über die Felder. Die Heddon-Farm. Zum Schluss dann eine riesige Blutlache, in der Dane Gelton gestorben war. Wie ein Mahnmal von getrocknetem Rost hatte es die Polizei hinterlassen.
Mich überkam Gänsehaut. Meine ganzen Begegnungen mit Chris im Heim liefen wie ein Film vor mir wieder ab. Chris hatte ähnliche Bilder in der Schublade seiner Mutter gefunden. Aber er hatte noch ein weiteres Bild besessen, was hier fehlte.
„Was ist mit dem Bild, wo sein Vater unmittelbar nach seinem Tod abgelichtet wurde?“
„Oh“, sagte Dr. Brisco und schlug Chris' Akte auf. „Das ist hier.“
Brisco wusste ja, das Chris dieses Bild als monströses Kunstwerk in der Turnhalle im Heim bei seinem Abschied hinterlassen hatte. Er hatte alle Aufzeichnungen gelesen.
„Bob“, sagte er, wie immer, „so etwas ist mir in meiner ganzen Laufbahn als Arzt noch nicht unter die Augen gekommen.“
Ich nickte. „Mir auch nicht, Sir.“ Das klang ziemlich lächerlich; meine Laufbahn war gerade zehn Monate alt!
„Es war bisher Ihr einziger Fall, Bob“, setzte Brisco hinzu. „Sie haben niemals etwas anderes wirklich kennengelernt. Ich meine, so etwas Außergewöhnliches.“
„Nein, Sir.“ So war es wohl. Chris war meine erste Erektionsstörung. Ich kam nicht über den gestrigen Vorfall hinweg.
Ich hörte Brisco weiterreden: „Ich war gestern bei Chris. Er macht sich gut dort.“
„Ich weiß. Josh hat berichtet.“ Ich dachte, jetzt kommt die Schelte mit dem unerlaubten Besuch auf der Station. Ich sah zu Boden und wartete. Aber es kam nichts. Er hatte meinen Bericht wahrscheinlich noch nicht gelesen, auch die Beschwerden über mich noch nicht durchgesehen.
Wir schwiegen und nippten wieder an unserem Kaffee. Das alles sah nicht nach einer Kündigung aus. Dr. Brisco gab mir
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