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Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Titel: Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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reservieren? Ich würde gerne Jenny Keller, Chris' Lehrerin, mitbringen. Wir hätten da eine interessante Theorie. Mir war es nur wichtig, dass Sie Chris' Verfärbungen am Körper original sehen.“
„Wo hat er die her?“, fragte Brisco. Die Frage verstand ich. Sie war schließlich auf eine körperliche Misshandlung zurückzuführen. Der musste er nachgehen.
„Die hat er sich selbst zugefügt, Sir“, sagte ich.
Brisco nickte und sagte: „Da bin ich am Montag aber gespannt.“
Wir waren beide froh, schon um vier Uhr Feierabend zu haben, anstatt wie üblich um sechs.
Der schwarze Freitag wurde zu einem weißen. Es ging wieder bergauf.
    Als ich an diesem Abend auf meinem Sofa saß, dachte ich immer wieder an den peinlichen Zwischenfall mit Jenny gestern. Der ließ sich wohl erst verarbeiten, wenn ich es noch einmal mit ihr versuchen würde. Sollte es wieder nicht klappen, stimmte etwas an unserer Beziehung nicht. Dann sollten wir es besser bei Kollegen belassen.
Sollte ich sie gleich mal anrufen oder sollte ich warten, bis sie mir neue Signale geben würde?
Ich schlief schließlich auf dem Sofa bei laufendem Fernseher ein. Wo war nur meine Spontanität geblieben?
    *
    Wochenende stand vor der Tür. Ich hatte frei. Ein Kollege von Station 1 übernahm die Betreuung meiner Station.
Ganz unverhofft rief mein Vater an, den ich seit Wochen nicht mehr gesprochen hatte. Er wohnte in Carbondale, gute 300 Kilometer entfernt. Meine Mutter war vor fünf Jahren an einem Gehirntumor verstorben. Seitdem lebte mein Vater alleine in dem großen Haus, in dem ich mit meinen älteren Brüdern David und Kevin groß geworden war.
Hatte Dane Gelton nicht auch einen Bruder Namens Kevin gehabt? Die Parallelen gruselten mich. David und Kevin leben schon seit vielen Jahre in einem eigenen Haushalt, aber in der Nähe meines Vaters, in Carbondale. Ich war der letzte, der ausgezogen und der nach Denver zum Studieren gezogen war.
Wie ich die Stimme meines Vaters am Telefon hörte, überkam mich eine große Sehnsucht nach ihm. Die ganze Geschichte mit Chris und seinem Vater hatte bei mir ganz neue Gefühle meinem Vater gegenüber geweckt. Wie dankbar konnte ich für diesen gesunden und gutmütigen Vater sein?
„Junge“, sagte er am Telefon, „wie geht’s?“
Mir kamen die Tränen, und ich sagte: „Gut.“
Ich sah ihn am anderen Ende lächeln. Ich sah, wie er meinen Worten keinen Glauben schenkte.
„Na, ja“, sagte ich, „geht so.“ Das klang schon ehrlicher.
„Deine Arbeit?“, fragte er.
„Ja, die Arbeit.“
„Es ist eine schwere Aufgabe, kranken Menschen zu helfen“, sagte er.
Ich sah zu Boden. „Ich kann ihnen nicht helfen. Ich kann sie nur begleiten und ihnen das Leben erträglicher machen.“
„Es ist dieser Kerl, nicht wahr?“, fragte mein Vater. Ich hatte ihm einmal kurz von Chris erzählt, als mir meine Stelle im Heim gekündigt worden und Chris dann zu mir in die Psychiatrie gezogen war.
„Wie heißt er noch?“
„Chris“, antwortete ich ihm, ins Wort fallend.
„Richtig, Chris. Hast dich festgebissen, was?“ Er kannte mich. Ich konnte mich schon immer an Dingen, die mich sehr faszinierten, zu sehr festbeißen.
Da mein Vater nicht sehr wortgewandt war, erzählte ich ihm grob von meinen letzten Erlebnissen mit Chris. Darauf sagte er: „Ist aber doch eine arme Seele.“
„Ja.“
„Du kannst manche Seelen nicht heilen. Nicht die, die schon genetisch unheilbar sind.“
„Ja.“
„Und du versuchst es doch.“
„Ich gebe mein bestes.“
„Das tust du immer, Junge.“
Mein Vater nannte mich stets Junge, im Gegensatz zu seinen anderen Söhnen, die er immer beim Vornamen nannte. Vielleicht war ich meinem Vater auch am ähnlichsten. Er wollte einmal Arzt werden, aber seine Eltern hatten kein Geld für ein Studium. Da wurde er Uhrmacher. Hat ja eine gewisse Ähnlichkeit, wenn man diese Körper öffnete, um sie zu reparieren.
Ich hätte nie Chirurg werden können. Mir reichte schon der Kopf mit allen Gedanken, die sich darin befinden. Da ich als Kind immer derjenige war, den man mit Problemen am meisten belasten konnte, war mein Beruf bereits in der Junior-High-School beschlossene Sache. Irgendwas mit Problemen. Wer nicht genug eigene hat, beschäftigt sich mit denen anderer. Ist doch klar, würde Chris sagen.
„Willst du nicht mal übers Wochenende zu mir kommen?“, fragte mein Vater und ich sagte spontan: „Ja. Gute Idee.“
Wie konnte er nur ahnen, wie sehr ich jetzt seine Nähe brauchte?
    Gegen späten Nachmittag war

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