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Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Titel: Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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anstellen.
Neben mir sitzt Henry. Er ist neun. Ich habe ihn gefragt, was er schon alles angestellt hat. Er sagt, er habe die Fensterscheiben im Haus seiner Eltern immer eingeworfen. Das finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich doof. Was soll man damit erreichen? Dreimal hat Henry deswegen ins Krankenhaus gemusst. Da hatte er die Scheiben mit seiner Faust eingeschlagen.
Ich glaube, Henry wird nicht mein Freund werden. Seine Ideen sind langweilig und für Künstler wie mich, nicht zu gebrauchen.
Der Bus hält gerade an. Ich muss aufhören.
    Hallo, da bin ich wieder.
Es ist jetzt abends. Wir sind im Sommercamp angekommen. So heißt das hier, sagt Dr. Pilburg. Er mag mich nicht. Er schaut mich immer so böse an. Dabei habe ich ihm noch gar nichts getan. Vielleicht sollte ich das mal, damit er einen Grund hat, so zu schauen.
Leider muss ich mir mit Henry ein Zimmer teilen. Ich denke gerade mit Angst an unser Zimmerfenster. Wenn Henry es mit seiner Faust einschlägt, haben wir überall Ungeziefer. Also sagte ich Henry sofort, dass ich ihn selbst ins Fenster hänge, wenn er die Scheibe einwirft. Damit das Ungeziefer ihn auffrisst. Jetzt hat er Angst vor mir. Das war doch nur ein Witz. Aber die Sache ist geregelt.
Henry liegt schon im Bett. Ich kann nicht schlafen. Wir haben jetzt genau 10:32 Uhr. Wir dürfen etwas länger aufbleiben. Da wollte ich noch schnell schreiben.
Also Bob, schade, dass du nicht dabei bist. Es ist toll hier. Aber es ist kein Urlaub. Es ist kein einziger Wohnwagen hier, womit man Urlaub machen kann. Dafür haben wir ein richtiges Schwimmbad, einen Park mit Blumen, ein Riesenrad, einen Spielplatz und ein Restaurant. So heißt die Mensa hier.
Dr. Pilburg und seine blauen Helfer haben eben in der Mensa nur herumgeschrien. Dabei haben wir alle ganz leise geredet. Ich dachte, Junge, der ist aber nervös und sagte zu ihm, er solle mal eine Pille zur Beruhigung nehmen. Da wurde er noch lauter, und ich sagte, dann besser zwei. Ein blauer Helfer kam und hielt mir den Mund zu. Ich verstand. Ich sollte aufhören, Dr. Pilburg Tipps zu geben.  Also aß ich brav mein Essen.
Henry saß neben mir. Er bekam eine kleine blaue Pille. Die bekommt er jeden Abend, sagte er. Ich fragte ihn wofür. Er sagte, damit er sich beruhige. Ich sah Henry an. Der war doch ganz ruhig. Die Pille musste für Dr. Pilburg sein. Man hatte sich vertan. Wie gut, dass ich aufgepasst habe, sonst wäre Henry von der Pille noch vor die Hunde gegangen. Ich sagte ihm, er brauche das Zeug nicht mehr. Er wäre doch schon ruhig. Da lachte Henry und sagte, das stimmt. Ich nahm seine Pille und schmiss sie Dr. Pilburg in die Kaffeetasse. Es war doch klar, dass er die Pille zur Beruhigung viel mehr brauchte.
Wir durften heute Abend noch Ball spielen. Es gibt eine große Wiese hinter dem Restaurant. Da spielten wir alle. Wir rannten und lachten. Das war toll. Dr. Pilburg wollte mitspielen, aber er saß ganz müde im Gras und schaute sich Grashalme an. Ich dachte, Junge, wenn er die heute Abend alle anschauen will, hat er aber mächtig viel zu tun. Und das stimmte. Er saß immer noch im Gras, als wir alle rein zum Waschen mussten. Zwei blaue Helfer kamen und holten ihn da weg. Das war auch gut so, denn es wurde langsam kalt, und Dr. Pilburg sollte sich doch keine Erkältung holen.
Ich muss jetzt schlafen. Gute Nacht.
    Da bin ich wieder. Die Nacht war schlimm gewesen. Henry konnte nicht schlafen und klopfte die ganze Zeit gegen sein Bett. Ich sagte ihm, er solle aufhören. Da klopfte er noch doller.
Ich musste mir etwas einfallen lassen und ging zu ihm ans Bett. Ich hielt seine Hand fest. Da wurde er böse und kämpfte mit mir. Leider ist Henry jünger und kleiner als ich. Da war es doch ziemlich blöd von ihm, mit mir zu kämpfen. Ich gewann natürlich. Und ich band seine Hände mit einem Gürtel an sein Bettgestell. Da schrie und zappelte er. Ich stopfte ihm eine Socke ins Maul und band seine Füße mit einer Jogginghose an das andere Ende des Bettgestells. Dann war Ruhe. Ich sah ihn an und sagte ihm: „Wenn du jetzt noch Theater machst, schneid‘ ich dir den Pimmel ab.“
Ich dachte daran, dass man mir das auch mal gesagt hatte. Danach hatte ich so viel Angst, dass ich nicht einem Meter mehr gemuckt habe. Warum sollte das bei Henry nicht auch wirken? Ich wusste ja, dass es nur ein Witz war. Ich wollte es ihm später mitteilen, wenn die Nacht vorbei wäre.
Heute Morgen kamen zwei blaue Helfer in unser Zimmer. Sie banden Henry los und nahmen ihn mit. Ich

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