Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind
Dieser Benimm-Kanon erinnert an puritanische Anstandsblätter wie den Spectator .
4 Sendungen wie Prominent haben, ganz im Sinne von Norbert Elias, die Rolle des Wächters über die Peinlichkeitsschwellen übernommen.
5 DiLorenzo, in: Die Zeit 2012.
6 Reischauer 2011.
7 Bröckling 2007, S. 236 ff.
8 Beim britischen Utilitaristen Jeremy Bentham gipfelte das in einer Überwachungsarchitektur, die regelkonformes Verhalten von Gefangenen und Fabrikarbeitern durch Totalkontrolle erzwingen sollte. Man mag sich wundern, warum ausgerechnet ein Glücksphilosoph sein Leben der Konstruktion von Zuchthäusern widmete. Dem Viktorianer Bentham war klar, dass seine Gesellschaft der »glücklichen« Arbeit ohne die Erziehung zum puritanischen Berufsmenschen nicht möglich war (vgl. Welzbacher 2011).
9 Das angebliche Dauertribunal des Marktes ist hochgradig illusionär: In der Subprime-Krise, die 2008 zum Crash des US-Bankensystems geführt hat, zeigte sich, dass auf die Kundeninteressen trotz 360-Grad-Feedbacks überhaupt keine Rücksicht genommen wurde; es galt nur das Gewinnmaximierungsinteresse der Vorstände. Bei der Kundenzufriedenheit wurde nicht gemessen, ob der Kunde wirklich gut beraten wurde, sondern ob er die Fehlberatung nicht bemerkt hat.
10 Sind die Regeln erst einmal etabliert, hält sich der Deutsche gründlich daran. Michael Lewis erinnert in The Big Short daran, warum die amerikanischen Banken den Deutschen Schrott-Papiere andrehen konnten: »Die dummen Deutschen. Sie glauben den Rating-Agenturen. Sie glauben an die Regeln« (Lewis 2011, S. 128).
11 Moldaschl und Sauer 2000, S. 221.
12 Hochschild 1983.
13 In der behavioristischen Psychologie, die dem System zugrunde liegt, ist die unentwegte Steigerung von Belohnungs- und Bestrafungsanreizen Dreh- und Angelpunkt des Lernprogramms. Überforderung ist hier theoretisch gar nicht möglich, höchstens langsameres oder schnelleres Lernen.
14 Bröckling 2007, S. 244.
15 Francis ≠yama demonstriert die besondere amerikanische Erwähltheit am Recht auf Präventivkriege, das sich die USA seit 2002 selbst zugestehen: »Clearly, a doctrine of preventive war is not one that can be safely generalized throughout the international system. […] The fact that the United States granted itself a right that it would deny to other countries is based, in the National Security Strategy, on an implicit judgment that the United States is different from other countries and can be trusted to use its military power justly and wisely in ways that other powers could not.« (Fukuyama 2006, S. 101).
Der Puritaner fühlt sich moralisch höherstehend, also kämpft er nicht mit ebenbürtigen Gegnern schlicht um Interessen. In seiner Rede zum Friedensnobelpreis bekräftigte US-Präsident Obama den »American Exceptionalism« gegenüber dem Rest der Welt: »Die USA müssen in der Kriegsführung vorbildlich sein. Das unterscheidet uns von denen, die wir bekämpfen. Das ist ein Quell unserer Stärke.« (Obama 2013, S. 2)
16 Tocqueville 1987, S. 382.
17 Vgl. Ravitch 2004.
18 Jeff Jarvis, ein Google-Evangelist, versteht das europäische Bedürfnis nach Privatheit nicht. Es kann sich nur um geheime Laster handeln.
19 Die Motivation durch ein leistungsabhängiges Bonussystem ist Kern der behavioristischen Ökonomie. Mit dem »Profit-Motiv« steht und fällt ihre gesamte Verhaltenstheorie. In zahlreichen Studien legte der Züricher Glücksforscher Bruno S. Frey dar, dass die »Pay for Performance«-Philosophie ineffektiv ist und mehr Probleme schafft, als sie löst: Empirisch gibt es keinen Zusammenhang zwischen Bonus und gutem Firmenergebnis, die Manager gehen zu große Risiken ein und manipulieren die Bonuskriterien. Geld beschädigt zudem die intrinsische Motivation (Frey 2012, S. 51).
20 Ganz frei von Neokolonialismus ist Compliance nicht: In den meisten Regeln steht, dass Kinderarbeit verboten ist, auch bei Zulieferern, was indischen Firmen Probleme macht. Würden die Regeln verbieten, mit Unternehmen Geschäfte zu machen, bei denen der Lohnunterschied zwischen dem Chef und dem kleinsten Angestellten größer als das 30-Fache ist, hätten die USA ein Problem.
21 Tom Wolfe, der schon die Hippies in Der Electric Kool-Aid Acid Test (Wolfe 2009) treffend beschrieb, weist in einer Reportage zum Börsengang auf die Inszenierung des Rebellischen bei Facebook-Chef Zuckerberg hin: »His shirt is a gray T-shirt, one of the 30-some gray T-shirts he has on hand in order to make sure he is clad
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