Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind
ihres langen Sündenregisters. Sie machen weiter wie bisher. Auch Amazon sitzt den Shitstorm wegen seiner Arbeitsbedingungen einfach aus. Dasselbe gilt für Apple, Google oder Facebook, die nahezu unbeschadet mit ihren Kunden machen können, was sie wollen. Wenn Colin Crouch hofft, dass die Verbraucher die Konzerne »erziehen« können, überschätzt er deren Macht. Vgl. Crouch 2011.
36 Die katholische Lehre hat diese moralische Überforderung zurückgenommen und eben nur für Mönche oder Heilige reserviert, für eine außerweltliche Askese. Die Puritaner erzwingen die innerweltliche Askese, also dass jeder überall und immer allen Anforderungen der Bergpredigt genügen muss.
37 Schäfer 2013.
38 Schmidt auf CNBC am 04.12.2009.
39 Martenstein 2012
40 Martenstein 2012.
41 Alexander Neubacher beschreibt in seinem Buch Ökofimmel die Menge an sinnlosen Ökovorschriften sehr gut (Neubacher 2012).
42 Stoll 1997, S. 49.
43 Der Historiker Donald Worster hat gezeigt, dass auch die europäische Umweltbewegung besonders in protestantischen Ländern stark ist (Worster 1993, S. 196).
44 James Buchanan attestierte dem Begründer der neoklassischen Chicago School, Frank Knight, »Wurzeln im evangelikalen Christentum«, das sein Denken stark beeinflusst habe (vgl. Nelson 2010, S. 293). Nach Nelson ist es »Calvinismus ohne Gott«.
45 Mundell 2000, S. 331.
46 Zitiert bei Neubacher 2012, S. 257 f. Der Bezug von Meadows auf die Bevölkerungslehre des Calvinisten Malthus ist offensichtlich.
47 Paz 1972.
4 Immer mehr Markt und immer mehr Staat
»Seht die Vögel unter dem Himmel: sie säen nicht, sie ernten nicht, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.«
Macht uns wenigstens der Sozialstaat glücklich?
Einen Garanten von Kontinuität und einen letzten Halt muss es doch geben in einer Welt, die sich permanent wandelt. Viele Menschen fühlen sich dem ausgeliefert. Sie fragen sich, ob es ihren Betrieb oder gar ihren Beruf in wenigen Jahren noch gibt. Werden die Strukturen Bestand haben, auf die sie sich heute noch stützen, beispielsweise die Familie? Braucht es da nicht doch eine schützende Hand?
Tatsächlich ist der Sozialstaat von Anfang an mit einem Glücksversprechen angetreten. Es waren starke, charismatische Männer – in Deutschland Bismarck, in England Lloyd George und in den USA Franklin Delano Roosevelt –, die ihn begründeten: stets mit dem Ziel, die Härten des Marktes abzufedern und den Wettbewerb zu zähmen. Der Staat gab dem Einzelnen Schutz- und Mitwirkungsrechte vor allem im Arbeitsleben und er sorgte für Daseinssicherung, etwa für die Wasserversorgung und den sozialen Wohnbau, und für die Teilhabe breiter Bevölkerungskreise an Schule, Kranken- und Rentenversicherung und so weiter. Es ist also nicht die Frage, ob der Staat ein Glücksversprechen abgibt, es geht darum, wie weit es reicht und wo der Sozialstaat das Gegenteil bewirkt: nämlich Unglück.
In der Praxis besteht zwischen »Markt« und Sozialstaat eine stille Kooperation. Beide sind längst tief verflochten und aufeinander angewiesen: Die Marktwirtschaft liefert die Steuer- und Beitragseinnahmen, ohne die der Sozialstaat nicht existieren könnte. Umgekehrt kümmert sich der Sozialstaat um Kranke, Unqualifizierte und jene, die im Marktgeschehen nicht mitkommen. Vater Staat stattet seine Schützlinge mit Geld aus und hat einen gewaltigen Anteil an der Konsumnachfrage. Hartz- IV -Empfänger sind die liebsten Kunden von Elektronikmärkten, und Hausbesitzer schätzen das Sozialamt: In Berlin stabilisieren die Wohnzuschüsse der Sozialbehörden das Mietpreisniveau.
Der Sozialstaat ist ein Reparaturbetrieb, für manche auch ein Ruhekissen. Aber keiner ist mehr darauf angewiesen, dass die Wirtschaft wächst als der Sozialstaat.
Konsumkapitalismus und Sozialstaat verfolgen in der Praxis längst dasselbe Ziel: Möglichst viele Menschen sollen möglichst viel konsumieren, und das Wachstum darf nicht aufhören. Der Sozialstaat unterstützt die Wirtschaft dabei, dass möglichst viele mit dem Tempo der Veränderungen Schritt halten können. Wer hofft, dass der Sozialstaat der sichere Hafen ist, der uns vor Dauerdruck und Beschleunigung schützt, hat die Mechanismen nicht verstanden. Der Sozialstaat ist ein Reparaturbetrieb, er ist eine Sozialversicherungsanstalt und für manche auch ein Ruhekissen. Er ist ein Gigant der Konsumnachfrage, die er durch die Kontinuität der Renten und sonstigen Gelder, die er auszahlt, in Schwung hält. Und er
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