Vier Äpfel
Leben führen zu können, hege ich also immer noch, die Hoffnung, mein Dasein könnte praktischer, gemütlicher und schöner werden, ist noch in mir lebendig, womöglich helfen da vier verchromte Kochplattenhauben oder ein Haushaltsscherenset oder ein Weinkühlstab? Wie ein Kind freue ich mich über diese Angebote zur Lebensverbesserung, ich freue michüber die Energie und Zuversicht, die so unverhohlen aus diesen Produkten sprechen. Sie machen mich glauben, für kurze Zeit jedenfalls, alles würde immer besser.
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L. hat oft gesagt, daß sie sich eines Tages einen Einkaufsroller, sie sagte
Hackenporsche
, kaufen wolle. Mit dem Modell, das ich hier im Regal sehe, wäre sie sogar die Treppe hinaufgekommen, denn es ist mit einem Treppensteiger ausgestattet, kleinen Zusatzrollen. Plötzlich erinnere ich mich an die schöne Venezianerin, die ich einen solchen Einkaufsroller einmal stolz durch Venedig habe ziehen sehen, ja auch dort, ich war überrascht, fahren nicht alle immer nur mit dem Boot einkaufen. Selbstsicher und sehr versiert zog sie ihn durch die Gäßchen und die Stufen vor und hinter den Brücken hinauf und hinunter, ich folgte ihr ein Stück, um von L. nicht in noch ein Museum, das dritte dieses Tages, gelotst zu werden, und stellte dann fest, daß auch Venezianerinnen in dunkelroten Stiefeln so profane Dinge wie Toilettenpapier kaufen müssen. Sie bewegen sich dazu allerdings etwas abseits der ausgeschilderten Trampelpfade, die nach San Marco führen, steuern tänzelnd und mit leeren Einkaufswägelchen an der Hand – es war der Tag des Redentore, des Erlösers, und am Abend, für den sie nun einholten, sollte das große Feuerwerk stattfinden – auf einen ihrer gut versteckt liegenden Supermärkte zu und fliegen beladen und bepackt wieder aus, fast so wie die Bienen, nur umgekehrt.
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Bei den Drogerieartikeln, die ich nie im Supermarkt kaufe, weil ich sie nicht neben Wurst, Zitronen und Honig in meinem Wagen liegen haben will, 29 stehen Klobürsten in Blaßgrün und -blau , die perfekt zu den Toilettenbecken passen, für die diese Farbtöne wohl erfunden worden sind. Gleich daneben gibt es weiße Klobürsten, entweder in Kunststoffständern oder aber einzeln, in Folie eingeschweißt. Wahrscheinlich fürchten Klobürstenhersteller nichts mehr als eine vorzeitige Verschmutzung ihrer Produkte, eine Klobürste muß rein und weiß und jungfräulich sein. In Venedig stand ich einmal, es war furchtbar heiß, und ich hatte Durst, vor einem Schaufenster, in dem ich eine Klobürste namens Ossian sah. Aus einem geheimnisvoll schwarz glänzenden Material gefertigt, sollte sie hunderteinundsiebzig Euro kosten. Die anderen Klobürsten der Auslage des kleinen Geschäfts am Campo dei Frari – eine war aus Weißchrom, eine dritte mit kleinen Katzen verziert – sahen überhaupt nicht nach Klobürsten aus, sondern hatten sich als Dalmatiner oder Chianti-Flasche getarnt. Die eine Schule des Klobürstendesigns versteckt die Bürste und ihre Funktion offenbar unter Manierismen, einem Griff etwa, der einem vergrößerten Bleistift mit Radiergummi ähnlich sieht. Die andere Schule, die ästhetizistische – das lernte ich dort, dicht an der Frarikirche, in der ich eigentlich Tizians
Assunta
bewundern sollte, aber die Kirche war geschlossen –, macht aus der Bürste selbst ein Kunstobjekt. Ich erinnere mich an eine Klobürstenskulptur mit einemsehr langen, sanft schwanenhalsgeschwungenen und versilberten Griff in einem halbtransparenten Bürstenbehälter aus Murano. Die venezianische Klobürste, weiß ich seither, steht für den feinen Unterschied, im nachhinein bin ich mir aber nicht mehr sicher, ob es sich bei diesem Schaufenster nicht vielleicht um eine Installation im Rahmen der Biennale handelte. Jedenfalls erfüllte das Klobürstenmonument am Campo dei Frari einen guten Zweck, schließlich entfaltete es einen hochwirksamen Abwehrzauber gegen den Gondel-,
Tod in Venedig-
und Rialto-Kitsch.
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Die hiesigen Klobürsten vermögen mich weniger zu bezaubern, lieber bewundere ich, sie interessieren mich schon lange, die Feuchtwischsysteme im Sortiment. Sie bestehen aus Teleskopstangen, die an Wischköpfe gekuppelt werden, für die es spezielle, vorgefeuchtete und verschieden duftende Wischtücher gibt. Diese Tücher aus einem nicht näher beschriebenen Mikrofasergewebe, das Staub und kleinste Schmutzpartikel besonders gut aufnehmen soll, lassen sich entweder festklemmen oder über den Wischkopf stülpen, eigens dafür
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