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Vier Äpfel

Vier Äpfel

Titel: Vier Äpfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wagner
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schicke keine Kurznachrichten, ich könnte sogar, bilde ich mir ein, wieder in die Schreibwarenhandlung gehen, in der wir uns begegnet sind, damals, nachdem wir uns sieben oder acht Jahre nicht gesehen hatten. Sie sprach mich an und sagte, wir hätten doch zusammen studiert, ob ich mich nicht erinnern würde. Ich erinnerte mich nicht, tat aber, als erinnerte ich mich, weil sie mir gefiel. Sie gefiel mir sogar sehr, und da ich gerade einen Kalender gekauft hatte, fragte ich sie nach ihrem Geburtstag und trug ihn in diesen neuen, noch ganz leeren Kalender ein.
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    Vielleicht hätte ich mich an den Geruch des Tantenwaschmittels gewöhnen können, wenn ich dieser Frau, die eben noch hier gestanden und ein Vakuum in der Supermarktluft hinterlassen hat, schon vor ein paar Jahren begegnet wäre. Vielleicht hätten wir uns ineinander verliebt, und ich wüßte gar nichts von L. und
ihrem
Waschmittelgeruch, vielleicht stünde ich dann jetzt auch nicht hier vordiesen Waschmitteln und wünschte mir, daß aus all den Waschpulverpackungen Schaumgebirge wüchsen, die sich durch die Gänge schieben und über die Regale hinaus erheben würden, bis sie mich und dieses Einkaufszentrum unter sich begraben hätten – Schaumkatastrophe im Supermarkt, das wäre eine Schlagzeile, die ich gerne einmal in der Zeitung läse.
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    Und der Tod, so kommt’s mir vor, schiebt seinen Einkaufswagen neben mir. Und legt die Leben, die er nimmt, hinein. Und an der Kasse muß er nicht bezahlen.
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    Ich weiß ja, L. kauft hier nicht mehr ein, schon lange nicht mehr, und obwohl ich dauernd an sie denke, fühlt es sich an, als entstamme sie einer anderen Zeit, einem vergangenen, halbvergessenen Reich auf einem fremden Kontinent. Ich gehe weiter und bleibe erst vor dem Regal mit den Feinstrumpfhosen 26 stehen, betrachte die überwiegend mit fleischfarbenen Musterstrumpfhosen bekleideten Beinstümpfe, die ihre Füße über den Strumpfhosenschächtelchen Richtung Supermarktdecke strecken. Auf den Schächtelchen lese ich
Elegance
und
Goldstrumpf
,
Supersitz Color
und
Saskia Seidenfein
, die Beinstümpfe sehen aus wie Prothesen, denen der Befestigungsmechanismus fehlt, und die Musterstrumpfhosen sind unter dem Stumpfende verknotet, damit sie sich schön glatt und unsichtbar – nicht sichtbar zu sein, ist hier offenbar eine Qualität – um die selbstverständlich perfekt geformten Modellwaden spannen. L. konnte sich in Geschäften stundenlang mit Strumpfhosen beschäftigen, nie war sie konzentrierter, als wenn sie Strumpfhosen kaufte, nicht hier, nein, das waren andere Geschäfte, in denen es laufmaschenresistente Netzstrumpfhosen aus Tüll oder Exemplare aus einem Kaschmir-Seide-Mischgewebe gab, die allerdings, wie L. meinte, leicht ausleierten, es sei denn, sie seien sehr engmaschig gestrickt. 27
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    Gleich hinter den Strumpfhosen stehen die Supermarktparfüme, Janine, Coco, Lou Lou, so heißen ihre Paten. Auf einem der nach Sportartikelfirmen benannten Herrendüfte daneben ist ein unbehaarter, durchtrainierter, männlicher Oberkörper zu sehen, in der Packung, das entnehme ich der Aufschrift, befinden sich ein Eau de toilette, ein Deodorant und ein After Shave. Auf einmal kommt es mir so vor, als rieche, ja als stinke es hier, als sei etwas verdorben, dabei weiß ich, daß hier gar nichts stinken kann, alles ist eingeschweißt und aromadicht versiegelt, ich rieche weder das Apfel-Aprikosenmus noch den Kakao oder den Earl Grey und auch nicht den Koriander, alles ist vakuumverpackt oder liegt gekühlt hinter Glas. Allein, das läßt sich wohl nicht verhindern, in der Nähe der Frischfisch- und Käsetheke sowie beim Obst und Gemüse steigt mir manchmal etwas in die Nase. Nicht einmal nach frischgemahlenem Kaffee darf es riechen, trotzdem hat der Supermarkt einen Geruch, mein Supermarkt riecht anders als die anderen, in die ich zuweilen fremdgehe, besser, denke ich, vielleicht auch nur vertrauter.
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    Wäre doch schön, denke ich, wenn ich jetzt an einen Stand käme, an dem es Frühergerüche und Urlaubsdüfte zu kaufen gäbe, Sommertag in der Provence, Sylter Salzluft, Bergwiese im Voralpenland, Großmuttermief, Mittelstufenklassenzimmer nach dem Sportunterricht, Kartoffelkellermuff, Babyduft und erster Freund/​erste Freundin mit Pubertätsaroma. Ich bedaure sehr, daß ich nichts mehr besitze, das nach L. riecht, ihr Duft hat sich verflüchtigt.Könnte ich sie riechen, sie wäre fast schon wieder da, aber leider habe ich keine Geruchsprobe genommen und

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