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Vier Äpfel

Vier Äpfel

Titel: Vier Äpfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wagner
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wundert mich nicht sehr, plötzlich verschwunden. Auf dem Titelblatt ist jetzt eine ganz andere Frau zu sehen, eine, die ihr nur entfernt ähnlich ist und mir nicht gefällt. Erst als ich die Zeitschrift am ausgestreckten Arm von mir weghalte, fällt mir die Ähnlichkeit wieder auf; vielleicht, überlege ich, ist das Cover ein Wackelbild, das hin und her springt, oder aber, noch raffinierter, es zeigt aus einem bestimmten Blickwinkel immer genau die Person, die der Betrachter gerne sehen möchte. Der Effekt läßt sich dann aber, schade, nicht wiederholen. Ich blättere durch die Zeitschrift, in der sich von allein die Seite aufschlägt, auf der eine Cremeprobe eingeklebt ist. L.hat diese Tütchen immer herausgerissen und ausprobiert, zusätzlich zu all den Cremes, die sie sonst verwendete. Eine hatte sie für die Füße, eine für die Augenpartie, eine fürs Gesicht, eine für die Hände und eine für besonders trockene Stellen an den Achseln, wo das Bewegen der Oberarme die Haut besonders strapaziert; wenn sie abends endlich mit dem Eincremen fertig war, war ich meist schon eingeschlafen.
    111
    Neben mir, ich höre sie reden, seit ich die Frauenzeitschrift in den Händen halte, stehen zwei Mädchen, die sich Teenie-Magazine ansehen. Sie interessieren mich sofort viel mehr als die Frauenzeitschrift, die, ich erinnere mich, auch L. hin und wieder gekauft hat, für längere Zugfahrten oder für einen Tag am Strand.
    «Ey weißte, ich hab letzten Monat dreißigma Franzi angerufen, und dich hab ich elfma angerufen. Und weißte, zweima ham wa genau sechsundzwanzig Minuten und dreißig Sekunden telephoniert, so genau auf die Sekunde mein ich. Is doch komisch, ey», höre ich die eine, beide kauen Kaugummi, sagen und versuche weiter so auszusehen, als wäre ich in die Lektüre vertieft, «da ham wa uns halt nur so erzählt, was so war. Dauert eben so lange. Dann erzähl ich noch was, und dann erzählst du noch was, und dann is die Zeit schon um.»
    «Komisch ey.»
    «Scheiße ey, guck ma, ich bin hier voll trocken.»
    «Wo?»
    «Na hier ey, zwischen meinen Fingern und an den Knöcheln.»
    «Weil im Winter is die Haut eben voll trocken, mußte mit Atrix eincremen.»
    «Mach ich ja. Weißte, hat mir meine Mutter vererbt, is voll ekelhaft ey, muß ich jetz dreima am Tag einschmiern. Und das brennt.»
    «Gesichtscreme brennt bei mir auch.»
    «Soll se aber nich. Ich hab jetz lauter Naturheilmittel und so, die helfen voll ey.»
    «Mensch Scheiße ey, mir is voll schlecht, ich hab noch gar nix gegessen.»
    «Ich hab auch nix gegessen.»
    «Wir können ja Pizza kaufen gehn, bei dem einen da.»
    «Nee ey, is mir zu fettig.»
    «O Scheiße, ich hol mir Muffins, die gibts doch da aufm Ku’damm.»
    «Auf der Grünen Woche, da gabs welche, ham zwei Euro gekostet, mit voll viel Schokolade, voll lecker ey.»
    «In der Halle von die USA? Weil die sind doch ausn USA?»
    «Nee ich weiß nich, gabs da halt so ey, aber lecker.»
    «Wir können ja auch im Planet Hollywood Pommes essen, kriegste voll den Teller Pommes mit Ketchup für zwei Euro.»
    «Aber da wirste fett ey.»
    «Ey, aber ich hab Hunger.»
    «Fett ey. Guck dir ma meine Oberschenkel an ey!»
    «Ey weißte, unsere letzte Telephonrechnung war 291   Euro, und davon waren 237   Euro von mir. Ich muß meiner Mutter das Geld jetz zurückzahln, von dem Geld, das ich von meinem Vater krieg.»
    «Meine Mutter würd mich umbringen. Die spinnt schon, wenn ich über hundert telephoniere.»
    «Ich darf jetz auch nich mehr auf Handy anrufen.»
    «Ey ich ruf nie auf Handy an. Schon fünfzehn Minuten oder so kosten doch voll doppelt oder so.»
    «Scheiße ey, wenn ich Millionär wär und ganz reich und so, würd ich einfach voll immer telephonieren und so. Wär mir voll egal, wieviel das kostet.»
    «Ich mein, wenn ich Star werde oder so, dann spend ich total viel ey.»
    «Ey darf ich dann bei dir arbeiten, Autogrammkarten eintüten und so?»
    112
    Ich lege die Zeitschrift zurück, wende mich ab und gehe weiter, weil ich sonst, Scheiße ey, gleich laut auflachen muß. Scheiße ey, gluckse ich leise, als ich mit dem Einkaufswagen gegen einen Stapel weißer Kartons fahre, die sich mitten im Gang auftürmen. In ihnen befinden sich Tresore, einer von ihnen steht zur Ansicht da. Sieht aus wie einer der kleinen Safes, die in Hotelkleiderschränken eingebaut sind, denke ich und daß ich nicht wüßte, was ich in einen Safe aus dem Supermarkt hineinlegen sollte. Geld? Geheime Aufzeichnungen? Ein

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