Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vier Äpfel

Vier Äpfel

Titel: Vier Äpfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wagner
Vom Netzwerk:
auf diesen Zettel, brauche ich dagegen nicht. Mit der Kerzenromantik ist es seit L.s Auszug vorbei, und den Gasherd zünde ich, wenn überhaupt, nur mit einem Anzünder an, der zuverlässig kleine blaue Funken schlägt. Sahne oder Crème fraîche brauche ich ebenfalls nicht, ich mache mir nichts aus Sahnesoßen, und Eier habe ich wahrscheinlich noch im Kühlschrank. Jeder Eierkauf, deshalb kaufe ich ungern Eier, stellt mir die Gewissensfrage: Soll ich die billigen Käfigeier kaufen oder die etwas teureren Eier aus einfacher Bodenhaltung oder nicht doch besser Freiland- oder, noch besser, Biofreilandeier? Bei einem Brunch – ich hasse Brunchs, ich hasse allein schon das Wort, und ich hasse es auch, mich zu einem Frühstück verabreden zu müssen – habe ich einmal von jemandem gehört, daß Hennen häufig Eier legen, die gar nicht wie Eier aussehen, sondern eher wie Tischtennisbälle oder sehr kurze, krumme Bananen. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Zu meiner Großmutter kam die Eierfrau immer freitags, sie kam mit einem Kofferraum voller Eier angefahren, die von ihrem Hühnerhof stammten, der ein kleines Stück außerhalb der Stadt hinter dem letzten Neubaugebiet lag. In einer riesigen, fensterlosen Wellblechhalle, die ich sehen konnte, wenn wir sonntags dort vorbeispazierten, legten Tausende von Hennen, ich befürchte, sie saßen in Käfigen, ihre Eier   – Eier, die Frau Nuppeney, so hieß die Eierfrau, teils direkt vertrieb. Mit ihrem alten Audi 100 hielt sie vor unserem Haus, brachte eine Palette 36 Eier an die Türund stellte sie dann auf dem Briefkasten ab, um ein großes schwarzes Portemonnaie zu öffnen, aus dem sie meiner Großmutter das Wechselgeld herausgab; den Schein, den sie gereicht bekommen hatte, steckte sie ein. Die Eier, die alle sehr weiß waren, brachte ich anschließend, fall nicht, rief meine Großmutter mir hinterher, hinunter in den Keller, ihr Platz war in dem alten Küchenbuffet, 37 das neben der Kartoffelhurde stand.
    108
    Hätte ich während meiner Kindheit, Mama war ja nicht da und meine Großmutter konnte mir nichts verbieten, nicht ausgiebig ferngesehen, wüßte ich wahrscheinlich garnicht, was Palmin, das mit Abstand schönste Wort auf dem Zettel, bedeutet. Heute klingt es zwar nicht mehr, ursprünglich mag das die Absicht gewesen sein, nach Palme, eher nach Paraffin und Kerosin und Heroin, tatsächlich handelt es sich jedoch um eine vergleichsweise harmlose Substanz – nein, Flugzeuge fliegen nicht mit Palmin in den Süden, Palmin ist ein Kokosfett aus Kokosnüssen, die auf Palmen wachsen. 38 In der Werbung, die ich während meiner Fernsehkindheit sicher einige hundert Mal gesehen habe, ließ ein Koch mit hoher weißer Kochmütze ein Stück Palmin in eine sehr heiße, gußeiserne schwarze Pfanne fallen; das Zischen, das schnell in ein helles Britzeln überging, habe ich noch heute im Ohr. Oder war es, mir kommen plötzlich Zweifel, die Werbung für Biskin?
    109
    L. ging immer ohne Zettel einkaufen, sie konnte sich alles merken. Zettel schrieb sie nur für mich, weil ich ohne einen immer die Hälfte vergaß und statt mit den Sachen, die ich besorgen sollte, mit ganz anderen nach Hause kam. Neu aber war das für mich nicht. Dinge, die gekauft oder erledigt werden müssen, habe ich schon immer auf Listen geschrieben.
Einkaufen
und
Pfandflaschen wegbringen
steht da regelmäßig. Vieles schreibe ich auf, erledige es dann aber doch nicht, Punkte wie
Lampe in der Küche anbringen
oder
Krempel aussortieren
wandern von Liste zu Liste weiter. Eine Liste, so lautet die Regel, darf erst zerrissen und weggeworfen werden, wenn alle Punkte durchgestrichen sind oder ich einen Haken dahinter gemacht habe, ja es kommt sogar vor, daß ich Dinge, die ich schon erledigt habe, noch einmal notiere, nur um sie gleich anschließend schwungvoll durchzustreichen oder abzuhaken.
    110
    Bis zum Zeitschriftenregal bin ich gekommen und sehe L. auf einem Titelblatt; sie lächelt, wie sie immer gelächelt hat, wenn ich gesagt habe, lächle doch mal. Gern ließ sie sich nicht photographieren, weshalb ich heute nicht ein einziges Bild von ihr habe, auf dem sie so aussieht, wie ich sie gesehen habe. Auf allen Bildern wendet sie sich gerade ab, hält sich die Hand vors Gesicht, verdreht die Augen, oder sie ist so unscharf, daß ich sie kaum erkennen kann. Oder aber sie steht ganz klein und verloren in einer weiten Landschaft. Als ich nach der Frauenzeitschrift greife, auf der ich sie lächeln sehe, ist L., aber das

Weitere Kostenlose Bücher