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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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abgesagt
hatte, ohne Krankheit vorzuschützen, er sagte einfach, er könne nicht, man möge
bitte einen Zettel an die Tür machen, es falle aus.
    In Dingle nahm er sich wieder ein sehr gutes Hotel, schlief eine
Stunde bis zum frühen Abend, ging essen und schlenderte durch die Stadt, trank
in einem Pub, dessen Wände über und über mit Schuhen behangen waren, ein Ginger
Ale und ging weiter, bis er endlich Livemusik hörte.
    Drei junge Frauen spielten Geige, ein Bodhránspieler saß auf der
Bank an der Wand, neben ihm ein Gitarrist, vor diesem stand ein Flötenspieler
und hinter dessen Schulter in die Ecke gequetscht ein etwas älterer Mann mit
Bandoneon.
    Michael wusste nicht, ob er weinen oder lachen oder jauchzen sollte,
so mitreißend und artistisch war die Musik und so animiert und fiebrig die
Stimmung im übervollen Pub – er stand fasziniert eine halbe Stunde lang nahe
der Eingangstür, sah den Geigerinnen auf die Hände, genoss die allenthalben
spürbare Erregung und vergaß, sich etwas zu trinken zu bestellen.
    Eine der Frauen erinnerte ihn an Roisin, dasselbe glatte schwarze
Haar, dieselbe magere Weiblichkeit, dasselbe brave Erscheinungsbild bei
gleichzeitiger Wildheit der Bewegungen und Hingabe im Gesichtsausdruck. Er
starrte sie vermutlich an und fürchtete schon, er müsse sich dafür
entschuldigen, als sie irgendwann die Geige absetzte, nach dem Pint griff, das
neben dem Bodhránspieler auf der Bank stand, einen großen Schluck nahm, dann
Michael ansah und ihm das Glas reichte. Er bedankte sich mit einer angedeuteten
Verbeugung, nahm einen großen Schluck – sie deutete auf die Bank, wo er das
Glas wieder abstellen sollte, und warf sich wieder in den schrillen Jig, den
sie spielten.
    Michael drängelte sich bis zur Bar durch, bestellte einen Rotwein
für sich und eine Runde für die Band und fand einen neuen, ebenso ungemütlich
engen Platz, von dem aus er den Musikern weiterhin zusehen konnte.
    Als der Mann vom Tresen die Getränke für die Musiker abstellte, alle
auf der Bank neben dem Bodhránspieler, und mit der Hand auf Michael deutete,
machte die Geigerin, ohne mit dem Spielen aufzuhören, eine ebenso kleine
angedeutete Verneigung in Michaels Richtung. Ohne zu lächeln, aber mit einem
Blick, der tief in seine Augen eindrang.
    Den restlichen Abend über schien sie ihn vergessen zu haben, sie sah
kein einziges Mal mehr in seine Richtung, aber er wusste, dass sie wusste, wo
er stand, sich seiner Augen und seiner Gegenwart sicher war und diese Gegenwart
mochte, denn manchmal stellte sie sich so, dass er freien Blick auf sie
behielt.
    Am Ende des Abends, als das Publikum sich zerstreute, die Musiker
zusammenpackten und voneinander Abschied nahmen, kam sie mit ihrem Geigenkasten
unterm Arm zu ihm an die Theke und sagte: »You look lonely.«
    Â»And you play marvellously«, sagte er.
    Â»Thank you.«
    Sie erzählte ihm, dass die drei Frauen heute den nationalen
Geigenwettbewerb gewonnen und den Sieg mit diesem Gratisgig gefeiert hätten. Er
machte wieder diese kleine Verneigung, und sie fragte: »Have a drink or take a
walk?«
    Â»Walk«, sagte er lächelnd und bot an, ihr die Geige abzunehmen, aber
das wollte sie nicht.
    Sie gingen zum Hafen. Er erfuhr, dass sie Megan hieß, aus Killarney
kam und in einem Supermarkt arbeitete. Jetzt würde sie gern eine Zeit lang
professionell spielen, falls sich etwas ergäbe, aber wenn es nicht dazu käme,
sei es auch nicht schlimm. Sie habe immer Musik gemacht, und sie werde immer
Musik machen, ob sie damit eine Weile auch Geld verdiene, sei nicht das
Wichtige. Das Wichtige sei der gemeinsame Herzschlag, den man beim Musizieren
mit anderen Menschen habe.
    Sie versuchte auch von ihm zu erfahren, wo er herkomme, was er tue
und was ihn hierher nach Dingle führe, aber Michael gab nur immer so viel
Auskunft, dass es nicht unhöflich klang, und als sie ihn fragte, was er in
Zukunft vorhabe, was er arbeiten wolle, wo er leben wolle, was sein Ziel sei,
da sagte er nur: »Maybe I’ll be a free man.«
    Â»Good luck«, sagte sie.
    Dann setzten sie sich auf die Kaimauer, lauschten dem Plätschern und
Glucksen des Wassers, dem Knarren der Seile und Klirren der Ketten an den
Booten, bis Megan nach ihrem Geigenkasten griff und sagte: »Yes.«
    Michael sah sie fragend an.
    Â»I’ll stay the night with you«, sagte sie.
    Zum Hotel gingen sie

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