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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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die sie bis dahin nur gespielt hatten, und dem Glauben, die
Welt stehe ihnen offen und halte Lust, Bedeutung und Glanz für sie bereit.
    Eine Zeit lang, ein paar Jahre lang war das auch so. Sie sonnten
sich in der Zuneigung anderer, genossen das Interesse, den Applaus und später
auch das Geld, das sie verdienten, fühlten sich zugleich beschützt und stark,
weil sie zu viert waren und ihre Begabungen zusammenlegten, verlernten das
Staunen darüber, dass ihnen alles zuflog, hielten es irgendwann für selbstverständlich,
aber das war es nicht – das Leben, das richtige Leben, das Dasein erwachsener
Männer ließ irgendwann seine Konturen aufscheinen, und diese Konturen waren für
jeden von ihnen andere.
    ~
    Michael hatte Roisin schon seit einigen Wochen aus den
Augen verloren, sah sie weder auf dem Campus noch im Schwimmbad, noch in den
Pubs, die sie gemeinsam besucht hatten. Entweder ging sie ihm aus dem Weg, oder
sie hatte Galway über die Sommerferien verlassen. Seltsamerweise fiel sie ihm
immer dann ein, wenn er Blame it on the summer irgendwo hörte.
    Das war mittlerweile oft der Fall, denn das Stück war ein Hit in
Irland, und er hörte es aus Fenstern, Türen, Autos und im Park.
    Er hatte seither keine Freundin mehr gehabt. Um Roisin trauerte er
nicht, oder falls doch, dann wusste er nichts davon, aber er hatte keine Augen
für andere, übersah ihr Interesse und ihre Avancen, war in sich gekehrt und auf
eine melancholische Weise so glücklich, dass er nichts anderes brauchte und
wahrnahm.
    Manchmal flog ihn der Gedanke an, dass Roisin nicht nur eine
Bettgeschichte gewesen sein könnte, dass er sie vermisse und dass er, seit sie
nicht mehr zusammen waren, auch kein ganzer Mensch mehr sei, aber er hielt
diese kleine Wehmut dann immer für Müdigkeit oder schlechte Laune, er nahm sich
selbst nicht ernst.
    Es war Ende September und so warm, dass der Wind vom Meer kaum
Erleichterung brachte, als Michael auf dem Weg zu seinem Zimmer vom Telegrammboten
aufgehalten wurde:
    Take a look at your bank account, cry a tear and
come to Dublin. Let’s get drunk. Ian.
    Der Kontoauszug wies die unfassbare Summe von mehr als vierunddreißigtausend
irischen Pfund aus, und Michael vergoss zwar keine Träne, aber er musste doch
einige Male sehr tief einatmen, um seinen Herzschlag zu beruhigen. Er hob
fünfhundert Pfund ab, einen Hunderterschein steckte er in die Brieftasche, die
anderen drei und dazu zwei Fünfziger in den Geldbeutel. Den Hunderter trug er
seither bei sich, wo immer er auch hinging.
    Er mietete sich einen Vauxhall und fuhr nach Dublin, wo er Ian beim
Betrunkenwerden assistierte, ohne dabei selbst die Kontrolle zu verlieren. Nachdem
sie stundenlang durch das aufstrebende Amüsierviertel Temple Bar gezogen waren,
zwischendrin irgendwo Fish ’n’ Chips an einer Bude gegessen hatten (Ian den
Fisch, Michael die Chips) und Ian nur noch unzusammenhängende Worte brabbelte,
brachte Michael ihn mit einem Taxi nach Hause und erwiderte die schludrige
Umarmung, die Ian noch zustande brachte.
    Â»Du bist nicht betrunken«, lallte Ian verträumt.
    Â»Doch, bin ich«, sagte Michael.
    Â»Schlechter Kumpel«, sagte Ian. Bad Buddy.
    Â»Geh schlafen, reicher Mann«, sagte Michael.
    Â»Get drunk«, sagte Ian mit aller Bestimmtheit, die er noch
aufzubringen in der Lage war, und bohrte Michael dabei seinen Zeigefinger in
die Brust, »dann kommst du hierher zurück und kotzt mir vor die Haustür. Dann
bist du mein Freund.«
    Â»Bin ich auch so.«
    Â»Fucking German wimp.«
    Â»Fucking Irish Trunkenbold.«
    Â»Yup, droonkenbold, that’s me second name.«
    Als Ian endlich seine Haustür zuschlug und dabei den Anschein zu
erwecken versuchte, er sei ernstlich böse, ging Michael über die Liffey zu
seinem Hotel, einem Fünf-Sterne-Prachtbau, legte sich schlafen und dachte an
Erin. Aber als er endlich schlief, träumte er von Roisin.
    Am nächsten Tag kleidete er sich neu ein, kaufte Unterwäsche,
Socken, Langarmshirts, weiche braune Slipper und einen Gürtel, der dazu passte,
einen sandfarbenen Anzug mit sehr feinen dunkelblauen Nadelstreifen in einigem
Abstand voneinander und checkte als Herr aus dem Hotel aus, das er als Student
in Jeans und Cordjacke betreten hatte.
    Er fuhr über Kildare und Tralee nach Dingle, nachdem er in Galway
angerufen und das nachmittägliche Ferienseminar über Hannes Wader

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