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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Sammler, musste jede attraktive Frau haben, es
zumindest versuchen, konnte aber in Wirklichkeit nichts mit ihnen anfangen.
Nach dem Sex und dem darauffolgenden matten Geplauder war er mit seinem Latein
am Ende. Auf diese Art wurde es ihm auch immer leicht gemacht, die Frauen
wieder loszuwerden – sie merkten schnell, dass der Raum zwischen ihnen und
Bernd leer war und leer bleiben würde, und zogen sich zurück, spätestens dann,
wenn sie die Blicke sahen, die er anderen Frauen zuwarf. Ihm fehlte nichts, er
hatte das, was er wollte, und er hatte es in Serie. An jeder Ecke war eine
nächste oder übernächste Frau – er musste nichts dazulernen, weil er nicht
spürte, dass ihm etwas fehlte. Im Gegenteil: Er glaubte, er lebe im Überfluss.
    Wenn Corinna dabei war, bremste er sich wie die anderen auch, denn
sie war so etwas wie die platonische Liebe aller vier und sollte sich nicht
zurückgesetzt fühlen durch allzu öffentliches Flirten und Knutschen. Aber sie
war nicht oft mit ihnen unterwegs, und Bernd hatte bald Übung darin, in solchen
Fällen diskret vorzugehen, sich auf dem Gang der Kneipe für später zu
verabreden oder per Kassiber Telefonnummern zu tauschen.
    Den anderen, außer vielleicht Wagner, ging Bernd mit diesem Gehechel
auf die Nerven, aber Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps – es war seine
Sache, und er wurde nur zurückgepfiffen, wenn er sich an einer ihrer
Freundinnen vergriff.
    ~
    Michael hatte Thomas und Bernd Serafinas Obhut überlassen
und sich zu Fuß zum Bahnhof aufgemacht. Er ging den schnellsten Weg über
Piazzale Roma und hatte vor, die Linie 1 durch den Canal Grande für den Rückweg
zu nehmen, damit Wagner wie die anderen gleich eine erste Stadtrundfahrt
bekäme. Jetzt glühte das Abendlicht schon rot und violett, und über den Himmel
zogen sich grellorange und goldgelbe Streifen.
    Er kam früh genug am Bahnhof Santa Lucia an, um noch das Gleis
herauszufinden, auf dem der Zug eben einfuhr. Wagner stieg aus dem ersten
Wagen, als hätte er gewusst, dass Santa Lucia ein Kopfbahnhof ist, und sich
deshalb einen Platz ganz vorn genommen. Diesmal kam nicht einmal der Versuch
einer Umarmung zustande, denn Wagners Rucksack war im Weg. Michael legte ihm
eine Hand auf die Schulter, wie ein Vater, der seinen Sohn ermahnt oder lobt,
aber auch diese Geste geriet eher verunglückt, weil Wagner sie nicht erwiderte.
Allerdings konnte man eine solche Geste kaum erwidern – höchstens indem man die
eigene Hand auf die des anderen legte.
    Draußen vor dem Bahnhof kam Michael die Idee, ein Taxi
vorzuschlagen, aber er verwarf sie gleich wieder, weil er annahm, das würde als
ökologisch verwerflich abgelehnt. Also stiegen sie in das Boot der Linie 1, und
Michael dirigierte Wagner nach vorne zum Bug, damit er den besten Ausblick
hatte. In der Kabine drängten sich Studenten, die übers Wochenende zu Hause
gewesen waren, und ein paar ältere Menschen, die von Besuchen auf dem Festland
zurückkehrten. Am Bug saß außer ihnen niemand, denn jetzt am Sonntagabend kamen
keine Touristen mehr in die Stadt, die sich sonst immer dorthin durchschoben,
um gleich die ersten Fotos zu schießen.
    Nach den paar Sätzen, die sie über die Fahrt (okay, aber lang)
gewechselt hatten, und der Frage, ob Wagner im Zug gegessen habe oder hungrig
sei (beides), erstarb das Gespräch. Das Boot war in den Kanal eingebogen und
tuckerte voran in das mittlerweile tiefrote Stadtpanorama – das Wasser schien
an manchen Stellen zu brennen, da, wo es den Rest des Sonnenlichts spiegelte,
der Anblick musste jeden verstummen lassen.
    Aber Wagner blieb nicht deshalb stumm, weil er beeindruckt war, er
hatte die Süddeutsche Zeitung aufgeschlagen und las. Michael hätte ihn
ohrfeigen können, als er das sah, aber er beherrschte sich. Allerdings nur etwa
vier Minuten lang, bis sie von der nächsten Station, Riva di Biasio, wieder
abgelegt hatten, dann fragte er so beiläufig, wie es ihm eben möglich war:
»Bist du dir sicher, dass du den Rüssel in die Zeitung hängen musst?«
    Â»Wieso?«
    Â»Du bist in Venedig.«
    Â»Ja, und?«
    Â»Schönheit ist dazu da, dass man sie wahrnimmt, oder nicht?«
    Â»Ich war schon mal hier. Ich kenn das alles. Viel Zuckerguss und
fast so viel Wasser.« Wagner hob die Zeitung und las weiter.
    Michael hätte sie ihm am liebsten aus der Hand gerissen und in den
Kanal

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