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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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geworfen, aber er schaute stattdessen in die andere Richtung, um Wagners
Anblick nicht ertragen zu müssen, und gab sich Mühe, diese Ignoranz nicht
persönlich zu nehmen.
    Ganz gelang ihm das nicht, es war harte Arbeit, sich selbst zu
Toleranz zu überreden, und er versuchte, sich zu beruhigen, indem er sich
innerlich ein Lied vorsang, Sisters of Mercy von
Leonard Cohen. Als sie in San Tomà ausstiegen, war er bei der Coda angelangt,
der Zeile: We weren’t lovers like that and besides, it would
still be alright .
    ~
    Den Fußweg über die Scuola Grande di San Rocco konnte
Wagner nicht mit der Nase in der Zeitung hinter sich bringen, aber es hatte
nicht den Anschein, als sähe er irgendetwas, er setzte einen Fuß vor den
anderen und schien sich nicht an Michaels Schweigen zu stören. Es fiel ihm wohl
nicht einmal auf.
    Â»Ich soll dich von Corinna grüßen«, sagte er irgendwann.
    Â»Danke.«
    Â»Sie wär gern mitgekommen, aber sie kann nicht weg.«
    Ich habe sie nicht eingeladen, dachte Michael, aber er hütete sich,
es laut auszusprechen. Den Ärger über Wagners Stumpfheit musste er schnell
wieder loswerden.
    Natürlich kommentierte der auch das Haus nicht, sondern legte
einfach seinen Rucksack in das erste Gästezimmer links (Bernd und Thomas hatten
die beiden rechts der Treppe genommen), dann folgte er Michael nach oben,
durchschritt den Salon, ohne ein Wort darüber zu verlieren, und langte in der
Küche an, wo Bernd und Serafina ins Gespräch vertieft waren, während Thomas,
noch immer in sich selbst verschwunden wie ein Fakir, die Katze auf dem Schoß,
dasaß und zu meditieren schien.
    Â»Und das ist Wagner«, sagte Michael zu Serafina.
    Â»Er hat keinen Vornamen«, fügte Bernd vorsorglich hinzu, damit sie
nicht den Fehler machen konnte, danach zu fragen.
    Â»Aber er hat Durst«, sagte Thomas, und sowohl Serafina als auch
Bernd sahen ihn so erstaunt an, dass Michael klar wurde, Thomas hatte
tatsächlich bis jetzt geschwiegen.
    Â»Ja«, sagte Wagner. »Da ist was dran.«
    Michael öffnete eine zweite Flasche Meursault und fragte, wie man es
mit dem Essen halten wolle. Er könne etwas kochen, aber nur vegetarisch, oder
man könne ins Restaurant gehen.
    Â»Ich habe drüben Coq au Vin, das ich nur aufwärmen müsste«, bot
Serafina an, »falls jemand doch Fleisch will.«
    Â»Dann mach ich Pasta und Salat, okay?«
    Â»Klar«, sagte Wagner, »super«, sagte Bernd, und Thomas nickte und
wandte den Blick nicht von der Weinflasche, aus der Michael jetzt Wagner ein-
und den anderen nachschenkte.
    Â»Seid ihr einverstanden mit Aglio-Olio?«, fragte Michael in die
Runde, und alle nickten, nur Bernd gab zu bedenken, das sei kussfeindlich.
    Â»Er hat heute noch was vor«, sagte Serafina, aber sie sagte es so,
dass es nicht kokett klang, sondern ein bisschen spöttisch.
    Â»Ja oder nein?«, fragte Michael, und Bernd sagte: »Von mir aus,
klar. Die Mehrheit siegt.«
    Â»Die Mehrheit will heut niemanden mehr abschlecken«, sagte Wagner,
und Serafina lachte: »Nur mein Coq au Vin und Michaels perfekte Spaghettini.«
Sie stand auf, um das Essen zu holen. Im Gehen sagte sie noch zu Thomas: »Wirf
Minou einfach runter, wenn sie dir unbequem wird«, aber der schüttelte den Kopf
und erklärte, wer von einer Katze erwählt werde, zeige sich besser dieser Wahl
würdig. Serafina lachte wieder, aber auf Thomas’ Gesicht lag ein Ernst, der
Michael überraschte. So kannte er Thomas nicht. Allerdings, was wusste er
überhaupt noch von ihm oder einem der anderen. Nichts. Alles, was er über sie
erfahren hatte, war Jahrzehnte alt und konnte sich längst in unzähligen
Verwandlungen aufgelöst haben. Leider war das bei Bernds Schürzenjagd nicht der
Fall. Hoffentlich fiel Serafina nicht darauf herein.
    Nach ein paar Minuten kam sie zurück und stellte den Topf auf
Michaels Herd. Er hatte inzwischen Wasser für die Pasta aufgesetzt und damit
begonnen, drei Knoblauchzehen in winzige Stückchen zu schneiden. »Sind Peperoncini
okay?«, fragte er in die Runde, und als zustimmendes Brummen, Kopfnicken und
ein »logisch« zurückkamen, schnitt er auch noch eine halbe trockene rote Schote
klein.
    ~
    Nach dem dreigängigen Menu, zuerst Salat, dann Pasta, dann
Coq au Vin (von dem Michael nichts nahm), hatte Serafina es mit ihren Fragen
geschafft, die Atmosphäre so zu

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